Selten war sich die Jury bei ihrer Entscheidung so schnell so einig: der diesjährige Kompositionspreis der Stadt Oldenburg, der im Zuge des Carl-von-Ossietzky-Preises zusätzlich verliehen wird, geht an den 30-jährigen Komponisten Étienne Haan! Warum die Entscheidung so leicht und genau auf ihn fiel? Das lest ihr hier!
Bei dem Preis, der auf 3.000 Euro dotiert ist, handelt es sich um eine waschechte Institution innerhalb des Kulturbüros der Stadt Oldenburg. Denn bereits seit 1988 wird alle zwei Jahre anlässlich der Verleihung des Carl-von-Ossietzky-Preises für Zeitgeschichte und Politik am 4. Mai, dem Todestag Ossietzkys, jeweils eine honorierte Auftragskomposition an eine ausgewählte Komponistin oder einen Komponisten vergeben. Seit 2013 kennt man diesen Kompositionsauftrag ganz offiziell als den Oldenburger Kompositionspreis für Zeitgenössische Musik, der einen Beitrag zur individuellen Förderung von Komponistinnen und Komponisten leistet.
Entsprechend lang und auch renommiert ist inzwischen die Liste der bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger:
Mit der Uraufführung der jeweiligen Komposition während des Festaktes zur Vergabe des Carl-von-Ossietzky-Preises soll nicht nur die Feierlichkeit musikalisch innovativ ausgestaltet werden, sondern mit dem zu erstellenden Werk ist auch die Würdigung des Namensgebers des Politikpreises und der ausgezeichneten Persönlichkeit verknüpft. In diesem Jahr fiel die Wahl dabei auf Professor Igor Levit, worüber wir natürlich schon berichteten:
Trotz Pandemie wurde auch die ausgezeichnete Komposition des Jahres 2020 The Blue Traces von Farzia Fallah zur Uraufführung gebracht – allerdings auf ganz neuem Wege. Da die Preisvergabe 2020 an Dr. Carolin Emcke mit der Aufführung des Werkes von Farzia Fallah um ein Jahr verschoben werden musste und auch 2021 Corona bedingt nur im kleinsten Kreis ohne Live-Aufführung stattfinden konnte, wurde die Uraufführung als Videoclip produziert:
Der Preisträger 2022
Natürlich wird die Entscheidung darüber, wer den Preis im jeweiligen Jahr erhält, nicht einfach willkürlich getroffen, sondern basiert auf dem qualitativen Urteil eines fachkundigen musikalischen Beirats, dem der Oldenburger Komponist Eckart Beinke, der Kulturmanager und Musiker des Oldenburgischen Staatsorchesters Michael Hagemeister sowie Christiane Abt, künstlerische Mitarbeiterin für Klavier, Arrangement und Improvisation am Institut für Musik der Universität Oldenburg, angehören.
Mit dem 1992 in Strasbourg geborenen und sowohl dort als auch in Berlin ausgebildeten Étienne Haan fiel die Wahl dieses Mal auf einen Komponisten, der mit seinem Stil in der aktuellen Zeit einfach auffällt, heraussticht und mit diesem Stil auch die Jury des Preises umfassend überzeugen konnte. So heißt es in der Begründung des Beirats unter anderem:
"Das Beeindruckende seines Stils ist das kompositorisch beherrschte Vorhandensein fast sämtlicher Techniken der Neuen Musik, die aber immer wieder und überraschend von sehr eingängigen rhythmischen Passagen gebrochen werden."
Diese ungewöhnlichen Brechungen hochkomplexer Klangfelder gegen sinnlich vertraute Klanggesten ergreifen, so führt die Jury weiter aus, direkt das Publikum und führen zu einer enormen Attraktivität der Musik, die auch Laien anspricht, da sie immer wieder auch einzelne Inseln des Vertrauten biete und trotzdem, mit Hinblick auf das Alter Haans, eine fast ungewöhnliche Reife der fachlichen Konstruktion aufweise.
Er hat eine Vielzahl von instrumentalen Kompositionen für Soloinstrumente, für verschiedene kammermusikalische Besetzungen sowie für Orchester geschrieben, die europaweit von professionellen Ensembles und Orchestern aufgeführt werden. Darüber hinaus komponiert er rein elektroakustische Musikstücke und kreiert Videoinstallationen. Im Rahmen von interdisziplinären Projekten, die sich häufig mit gesellschaftspolitischen und sozialen Fragestellungen befassen, arbeitet Haan mit Kunstschaffenden aus den Bereichen Bildende Kunst, Tanz, Choreographie, Film und Regie sowie mit Theatergruppen.
Was man sich nun aber konkret unter diesen Beschreibungen vorstellen kann? Das kann man unter anderem auf dem Soundcloud Account des Komponisten selbst herausfinden und sich dort Auszüge seines Schaffens anhören. Wichtig beziehungsweise besonderes Detail: einige der Werke erfordern das Tragen von Kopfhörern um die gesamte Bandbreite der Musik wahrnehmen zu können:
Ganz traditionell findet die Uraufführung seiner Auftragskomposition für den Carl-von-Ossietzky-Preis mit dem Titel Auf der Weltbühne nun aber wieder während des Festaktes am 09. Dezember selbst statt. Mitglieder des oh ton-Ensembles werden die Komposition für Flöte, Akkordeon und Kontrabass in Anwesenheit des Komponisten interpretieren.
Auch wir vom Kulturschnack sagen: Gratulation!
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