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ZWISCHEN MAHLZEIT UND MEISTERWERK

Im Horst-Janssen-Museum bietet sich aktuell ein Hochgenuss feinster Kunst, ein waschechtes Menü a la Janssen. Denn zum ersten Mal blickt das Haus mit einer Sonderausstellung durch die kulinarische Brille auf das Werk des Künstlers und macht dabei deutlich, wieviel diese beiden Welten doch miteinander gemeinsam haben, auch wenn sie am Ende eine entscheidende Sache voneinander trennt. Was wir meinen? Lest ihr hier!


 

ICH WAR EIN ALLESSCHMECKER

HORST JANSSEN TISCHT AUF BIS 09. JUNI 2025 DI - SO: 10:00 - 18:00 UHR EINTRITT KOSTENFREI HORST-JANSSEN-MUSEUM AM STADTMUSEUM 4-8

 

„Bei der Thematik Essen handelt es sich um etwas sehr Persönliches und doch täglich Präsentes“, gibt Alexandra Hoffmann, die Kuratorin der neuen Ausstellung, zu bedenken. Und deshalb ist es genau dieser Umstand, der dafür sorgt, dass den Besucherinnen und Besuchern des Museums bei dieser brandneuen Sonderausstellung nicht bloß Werke Janssens geboten werden, sondern darüber hinaus eine seltene Gelegenheit einen intimen Einblick in den Alltag und die Tagesstruktur eines Künstlers zu erhaschen, der immer eine ambivalente Beziehung zu Süchten und Genüssen pflegte. Sei es vom ersten Kaffee und einem Frühstücksei am frühen Morgen noch im Bademantel, über intensive Arbeitsphasen am Vormittag, den berühmt-berüchtigten Apfelpfannkuchen zum Mittag, bis hin zu einer Partie Schach am Nachmittag und einem Barbesuch bei guter Musik am späten Abend.

Bemalte Kochschürze der Ausstellung Ich war ein Allesschmecker - Horst Janssen tischt auf, die aktuell im Horst-Janssen-Museum zu sehen ist.
Auch die etwas abseitigeren Schätze findet man in dieser Ausstellung. GIF: Kulturschnack

Daher zeige man auch bewusst neben den klassischen Meisterwerken, wie Zeichnungen, Radierungen und Holzschnitte, ebenso auch die etwas abseitigeren Schätze, die viel alltäglichere Kunst, die er auf Briefen, Einkaufszetteln, Rechnungen, Schuldscheinen, Einschlagpapier von Weinflaschen, Bierdeckeln, Servietten und Tischdecken hinterließ, so Hoffmann. Besagte Tischdecken wurden beim persönlichen Lieblingsitaliener auch gut und gerne mal als Ersatz für bares Geld verwendet, statt die anfallende Rechnung regulär zu begleichen. Wie ein solcher Besuch ausgesehen haben mag, davon erzählt sogar ein ebenfalls im Museum zu sehender und ausgestellter Videoclip, der hierdurch Kontext zur spontanen Entstehung dieser Arbeiten schafft. Die tief von Farbe getränkten Hände des Künstlers zeugen davon, dass Janssen wirklich einen scheinbar nicht zu bändigenden Drang verspürt haben muss, seinen kreativen Impulsen stetig nachzugeben. Auch die Besucherinnen und Besucher können sich diesem Faktor der Alltäglichkeit hingeben, den spontanen Impuls und die Inspiration des Gesehen direkt für sich nutzen, denn es finden sich auch auf der Ausstellungsfläche immer wieder Gelegenheiten, selbst zum Stift zu greifen. Egal ob man nun an der eigens eingerichteten Bartheke bei einem kleinen Snack etwas auf einem Bierdeckel hinterlässt oder sich am gedeckten Tisch niederzulässt und dort künstlerisch austobt.


Die perfekte Symbiose


Insgesamt muss man festhalten, dass hier zwei Sphären aufeinandertreffen, die extrem viel miteinander zu verbinden scheint, die auf zahlreichen Ebenen zusammengehören und auch immer wieder Inspiration voneinander beziehen. Denn beide Disziplinen, sei es Kunst oder Kulinarik, basieren auf Kreativität, Präzision, Komposition und einem tiefen Gespür für Ästhetik. Was läge auch näher als der Vergleich des weißen, leeren Tellers zur blanken Leinwand, bereit mit Leben gefüllt zu werden, mit künstlerischem Ausdruck. Mal komplex und durchdacht, mal spontan und leidenschaftlich, minimalistisch und intuitiv. Denn es heißt schließlich nicht umsonst, dass auch das Auge mitisst und jeder kennt wahrscheinlich selbst die Erfahrung, wie beim bloßen Anblick eines Essens bereits sprichwörtlich das Wasser im Munde zusammenläuft. Sei es in der Küche oder im Atelier, beide Disziplinen Schaffen mit ihren Mitteln oder eben Zutaten Erlebnisse, die - im besten Fall - die Sinne berühren.


Horst Janssen, 2x Selbst mit Fischdose aus der Ausstellung Ich war ein Allesschmecker  - Horst Janssen tischt auf, die aktuell im Horst-Janssen-Museum zu sehen ist.
Pflegte eine ambivalente Beziehung zu Süchten und Genüssen; Horst Janssen, 2x Selbst mit Fischdose, Blei- und Farbstift, 1979 © VG Bild-Kunst Bonn, 2025

Spannend ist auch der Blick auf die dahinterliegende Profession, das Handwerk selbst, auch wenn sie vielleicht in beiden Welten eine unterschiedliche Art der Ausprägung findet und zumindest auf den ersten Blick im Berufsbild des Kochens etwas offensichtlicher in Erscheinung zu treten scheint. Denn gerade hier in Deutschland ist das Kochen bis heute ein ganz klassischer Lehrberuf, während man im künstlerischen Bereich schnell dazu verleitet ist an Naturbegabungen und Wunderkinder zu denken, die ein Meisterwerk nach dem nächsten aus dem Ärmel schütteln. Dabei teilen sie beide miteinander, dass sie einerseits auf teils Jahrhunderte alten Techniken beruhen, die ein Fundament bilden und immer wieder aufs Neue weitergegeben werden. Andererseits leben und profitieren beide Gefilde immer wieder von den Momenten der Disruption, künstlerischen Revolten, in denen neue Ideen, Herangehensweisen sich Gehör verschaffen und Anklang in der Gesellschaft finden. Sei es nun der Umbruch von einer künstlerischen Epoche in die nächste oder bspw. die Entstehung und Verbreitung der Molekularküche, die vor allem durch den spanischen Starkoch Ferran Adrià und sein Restaurant El Bulli internationale Verbreitung fand.


EXKURS: JONATHAN MONK Es scheint ein besonderer Reiz davon auszugehen, sich auf Materialien der Gastronomie zu verewigen. Ist es die Tatsache, eben nicht eine klassische Oberfläche der Kunst zu nutzen, die dann ein befreites Loslegen ermöglicht? Ist es das Wissen darum, dass die Rechnung eines Restaurantbesuchs eigentlich - wenn überhaupt - den Zweck erfüllt ein Finanzbeleg zu werden und für gewöhnlich oftmals im Müll landet und somit womöglich die Angst vor dem berühmten ersten Strich nimmt? Das wissen vermutlich nur die Künstlerinnen und Künstler selbst.

Einer von ihnen ist Jonathan Monk. Er machte sich diesen Ansatz zu einem echten Markenzeichen und nutzt die Rechnungen seiner Restaurantbesuche regelmäßig als Leinwand für Arbeiten, bei denen er berühmte Werke anderer Künstlerinnen und Künstler reproduziert. Wer sich für diese Form der Kunst begeistern kann, dem sei ein Blick auf seine Instagram Seite wärmstens empfohlen. Nicht nur um einen Überblick über sein bisheriges Schaffen zu bekommen, sondern auch um vielleicht selbst in den Besitz eines solchen Unikats zu kommen. Alles, was man hierfür tun muss, ist einen Kommentar unter einem seiner Werke zu hinterlassen. Wenn dann noch das Glück mitspielt und man ausgelost wurde, besteht die Möglichkeit, das Werk zu erwerben. Der Preis? Exakt der angegebene Rechnungsbetrag der jeweiligen Mahlzeit. Bon Appétit!


Die Schönheit des Moments


Doch wenn man auch noch so viel über die zahlreichen Gemeinsamkeiten philosophiert, so bleibt letzten Endes doch ein gravierender, nicht zu verrückender Unterschied zwischen Mahlzeit und Meisterwerk: Die Vergänglichkeit.

Während wir heute noch Museen auf aller Welt besichtigen können, an denen sich Bilder und Werke zeigen, die vor Jahrhunderten entstanden sind und alles daran gesetzt wird, diese Kulturgüter für die Nachwelt zu bewahren, sie restauriert und katalogisiert werden, währt im Gegensatz dazu ein kunstvoll angerichteter Teller nur exakt für den Zeitraum des Genusses der darauf platzierten Speisen. Nach dem letzten Bissen ist alles was davon bleibt eine Erinnerung, vielleicht gerade noch eingefangen in einem Foto oder in den Seiten eines Kochbuchs.

Horst Janssen, Selbst mit Paprika aus der Ausstellung Ich war ein Allesschmecker  - Horst Janssen tischt auf, die aktuell im Horst-Janssen-Museum zu sehen ist.
Die Vergänglichkeit in Kunst gebannt; Bild: Horst Janssen, Selbst mit Paprika, 1979, Farbstift © VG Bild-Kunst Bonn, 2024

Diese Dualität, das Flüchtige wie das Dauerhafte, erinnert uns daran, dass die Schönheit des Moments auch oftmals in seiner Vergänglichkeit liegen kann und zugleich die Beständigkeit der Kunst einen Raum schafft, in dem die Kreativität zeitlos bestehen bleibt. Das zeigt sich auch in "Ich war ein Allesschmecker - Horst Janssen tischt auf", wenn Janssen die kulinarischen Motive seiner Stillleben verdorben darstellt, detailreiche Strukturen hervorhebt und Gegenstände ungewöhnlich untereinander kombiniert. Man sollte sich die Ausstellung also am besten "auf der Zunge zergehen" lassen und dieses Menü durch den künstlerischen Alltag Horst Janssens einfach genießen, denn sehen könnt ihr sie nur bis zum 09. Juni. Der Eintritt ist kostenfrei!


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