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DAS LEBEN ALS IMPROVISATION

Es ist erwiesen: Ein Tagebuch zu führen, ist eine sinnvolle Sache. Es aber anderen vorzulesen? Auf einer Bühne? Und damit sein Innerstes nach außen zu kehren? Das ist etwas ganz anderes - das aber auch schon viele Menschen bewegt, berührt, bereichert hat. Nun setzt ein neues Format dem Ganzen noch die Krone auf: Bei „Blast from the Past“ wird das Gelesene spontan auf die Theaterbühne gebracht. Diary Slam meets Improtheater? Das wird ein Fest!


Einiges los: Bei „Blast from the Past“ stehen zwar nur drei Akteur:innen auf der Bühne, es wird aber sicher trotzdem großartig! (Bilder: Simon Pohlmann, Shutterstock /Montage: Kulturschnack)

Es ist gar nicht leicht, neue Veranstaltungsformate zu erfinden. „Alles schon mal da gewesen“, lamentierten Kraftklub schon auf ihrem Debüt vor zwölf Jahren. Manche entdecken aber dennoch Lücken - und kombinieren bekannte Elemente zu etwas tatsächlich Neuem. Und genau das tat im letzten Jahr das Oldenburger Poetry Slam-Urgestein Florian Filsinger.


Das Setting: Menschen lesen auf einer Bühne aus ihren Tagebüchern vor, Dieser paradoxe Ansatz - das Privateste öffentlich zu machen - ist nicht neu und funktionierte in der Vergangenheit bereits sehr gut. Nicht zuletzt, weil viele persönliche Gedanken durchaus Anknüpfungspunkte für andere bieten. Aber damit nicht genug: Bei „Blast from the Past“ setzen jeweils drei Improkünstler:innen von 12 Meter Hase und Wat ihr wollt das Gelesene in spontane Theaterszenen um. Die Tagebücher werden sprichwörtlich lebendig!


 

BLAST FROM THE PAST


TAGEBUCHLESUNG TRIFFT IMPROTHEATER


SAMSTAG, 21. SEPTEMBER, 20 UHR


CORE

HEILIGENGEISTSTRAßE 6-8

26122 OLDENBURG



 

Das Innere nach außen


Es sind häufig die kleinen Genialitäten, die uns die beste Unterhaltung bieten. „Blast from the Past“ macht nichts grundlegend neu. Das Format kombiniert aber genau die richtigen Elemente, um einen Abend zu gestalten, an dem alles möglich ist: bewegende Momente ebenso wie krachend-komischer Slapstick. Er ist auch diese Ungewissheit, die zur Attraktivität beiträgt. Was geben die Tagebuchautor:innen von sich preis? Wie stehe ich selbst dazu? Und was machen die Impro-Leute daraus?


Place to be: „Blast from the Past“ findet im Marktplatz des Core statt - ein idealer Ort, um das Persönliche öffentlich zu machen. (Bild: Ulf Duda)

Doch wie kommt man eigentlich auf so etwas? Woher nimmt man den Mut, das Experiment auch umzusetzen? Darüber haben wir uns mit Florian unterhalten. Der umtriebige Veranstalter hat schon immer das Prinzip „Einfach mal machen“ vertreten. Hier erzählt er, wie „Blast from the Past“ entstanden ist.



 


Florian, Tagebücher sind ja normalerweise etwas sehr persönliches. Warum sind sie sehr wohl für die Bühne geeignet?


Unser Konzept ist es, dass die Lesenden möglichst aus ihrer Teenagerzeit lesen. Die Wahrnehmung, das Gefühlsauf und -ab, die Denke und die Schreibe eines teenagenden Menschen ist – mit Jahren des Abstands von den Ursprungsautor:innen selbst vorgetragen – auf vielen Ebenen sehr unterhaltsam.


Florian Filsinger, Veranstalter des Diary Slams plus Improtheater „Blast from the Past“
The man who: Florian Filsinger ist der Kopf hinter dem Projekt „Blast from the Past“. (Bild: Privat)

Gefühle, Erlebtes, erwähnte popkulturelle Dinge etc. sorgen für Wiedererkennung der eigenen Vergangenheit des Publikums. Dazu die eigene Reaktion der Lesenden während des Vortrags, mal emotional, mal überraschend. Manche Leute – so wie ich – waren mit 20 irgendwie noch Tennie und dann wird’s ne Story aus der Uni-Zeit. Auch das ist sehr unterhaltsam



Wie weit gehen die Geschichten denn? Wird alles schonungslos preisgegeben?


Die Lesenden sollen sich beim Vortragen natürlich gut fühlen. Namen zu ändern oder zu schwärzen oder Ereignisse auszulassen ist völlig okay – so viel zum Thema „persönlich“. Wir als Organisatoren schauen im Vorfeld auch mit den Lesenden in ihre Tagebücher und beraten hier und da. Nach Rücksprache zeigen wir auch die liebevoll/rotzig beklebten/beschrifteten Tagebücher/Einträge und/oder Fotos von der damaligen Zeit auf Leinwand projiziert.


BÜHNENREIFE GEDANKEN MACH MIT BEIM DIARY SLAM

Eigentlich steht das Line-up für die zweite Auflage von „Blast from the Past“ bereits. Doch die gute Nachricht ist: Ein Platz auf der Bühne ist noch frei. Wenn du also schon lange Tagebuch führst - am besten schon seit deinem Teenie-Alter - und du hast das Gefühl, dass es gar nicht so verkehrt ist, was du in stillen Stunden zu Papier gebracht hast, dann ist dies dein Moment! Lies auf der Bühne des Core und sei dabei, wie deine Vergangenheit live auf der Bühne performt wird. Wie oft hat man schon diese Gelegenheit? Also: Email an tagebuch@entertainment-garantiert.de - und ab zum Diary Slam!


Du setzt noch einen drauf: Das Gelesene wird als Improtheater weiter verarbeitet. Wie bist du darauf gekommen, diese beiden Elemente zu kombinieren? Und warum glaubst du, dass es gut funktioniert?


Tagebuchlesungen haben mein Kumpel Haina und ich schon sehr viele in Oldenburg und Hamburg gemacht. Das war immer sehr gut besucht. Die Idee der Verknüpfung kam mir viele Jahre nach der letzten „reinen“ Tagebuchlesung - wie so viele Ideen unter der Dusche. Ich behaupte immer, dass Anna (von der Improtheatergruppe 12-Meter-Hase) dabei war, da sind sich die Geschichtsbücher uneinig. Aber spätestens als ich ihr und meinem Improtheaterumfeld davon berichtete, gab es regen Zuspruch. Jürgen Boese vom Kulturbüro des Studentenwerkes, mit dem ich regelmäßig die Musikbingo-Reihe veranstalte, war gleich interessiert, das Format für das SpontanOL-Festival aufzugreifen. Und last but not least: Der erste Teil der „Tagebuchlesung mit Improtheater“ war restlos ausverkauft und kam gut an. Ein Indiz für eine funktionierende Veranstaltung!



Akteur:innen bei der Premiere des Diary Slam plus Improtheater „Blast from the Past“ im Jahr 2023 im Core in Oldenburg
Blast from the Past: So sah es im letzten Jahr aus, als erstmals Tagebücher in Improtheater verwandelt wurden. (Bild Florian Filsinger)


Die Kunst mit dem gesprochenen Wort hat es dir angetan. Was ist das Schöne daran?


Gut eingesetzt kann man mit Wörter fast alles erreichen. Ich mag gerne Geschichten erzählen, die unterhalten und gegenseitige Hirnsynergien erzeugen. Provoziere ich ein Schmunzeln bei den Zuhörer:innen, bekomme ich weiterhin Aufmerksamkeit und eventuell wird sogar eine Zugabe gefordert. Und im besten Falle werde ich selbst gut unterhalten.



 


Bühnenreife Tagebücher


Kraftklub hatten im Großen und Ganzen schon Recht. Gänzlich neue Veranstaltungs-Formate sind selten, denn das meiste ist tatsächlich schon mal dagewesen. Trotzdem ist „Blast from the Past“ innovativ - und was noch wichtiger ist: attraktiv.


Tagebuchlesungen sind für sich selbst genommen schon spannende Erfahrungen, das zeigt ihr großer Erfolg. Die Erweiterung um das Improtheater macht sie jedoch zu einem Ereignis, das geradezu mitreißend sein kann. Und letztendlich sehen wir auf der Bühne unser Leben, wie es wirklich ist. Schließlich ist am Ende doch alles nur improvisiert.

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