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BONOBO MOUSSAKA!?

Weihnachten, das Fest der Liebe! Oder... etwa doch nicht? Oft wird das Fest diesem hohen Anspruch tatsächlich nicht gerecht. Im Gegenteil, manchmal offenbart es tiefe Risse in der Familienfassade. Doch ein Trost bleibt: So arg wie in Adeline Dieudonnés „Bonobo Moussaka“ kommt's meist nicht. Was euch erspart bleibt, könnt ihr jetzt im theater Hof/19 erleben - und das wiederum ist ein großes Vergnügen,


Eine Szene aus „Bononbo Moussaka“, die eine Schauspielerin und eine Tänzerin auf einer Bühne zeigt. Das Stück ist im theater Hof/19 in Oldenburg zu sehen.
Weihnachtstafel mal anders: Maike Jebens und Eleonora Fabrizi performen das Monolog-Stück „Bonobo Moussaka“. (Bild: Izabela Clausen)

Die Vorweihnachtszeit besitzt einige wiederkehrende Gesetzmäßigkeiten: Glühweinseligkeit, Geschenkeshopping, Jahresendtrubel und die meist vergebliche Suche nach Besinnlichkeit. Auch die Kultur pflegt in dieser Zeit einige Rituale - wie etwa die Umsetzung weihnachtlicher Stoffe. Kein Wunder: Sie sind eine ideale Einstimmung auf die Festtage!


Oder auch nicht. Schließlich ist allzu große Harmonie nicht bühnentauglich. Außerdem entspräche sie nicht ganz der Realität, denn oft verwandelt sich die vermeintlich besinnliche Zeit in einen Stresstest. Wenn man plötzlich sehr viel Zeit mit seinen Liebsten verbringt, entstehen Reibungsflächen, die sonst gern von Oberflächlichkeiten kaschiert werden. Diese Situation bietet ein ideales Szenario für dramatische Zuspitzungen - wie nun auch „Bonobo Moussaka“ zeigt.


 

THEATER HOF/19

BONOBO MOUSSAKA

ODER: CURVY BARBIES SIND AUCH KEINE LÖSUNG


15. NOVEMBER, 20 UHR (KARTEN)

16. NOVEMBER, 20 UHR (KARTEN)

6. DEZEMBER, 20 UHR (KARTEN)

7. DEZEMBER, 20 UHR (KARTEN)

13. DEZEMBER, 20 UHR (KARTEN)

14. DEZEMBER, 20 UHR (KARTEN)


THEATER HOF/19

26122 OLDENBURG

 

Die verschlossene Tupperdose


Bevor man auch nur ein Detail über das neue Stück des theater hof/19 weiß, fällt eines bereits auf. Natürlich: Dieser Titel! Selbst beim zweiten oder dritten Nachdenken will einem nicht einfallen, was damit gemeint sein könnte. „Bonobos sind eine Affenart, die immer, zu jeder Zeit paarungsbereit sind“, sorgt Frauke Allwardt, die weibliche Hälfte des Führungsduos im hof/19, für Aufklärung. „Die Autorin Adeline Dieudonné zieht einen Vergleich zu pubertierenden Jungen. Die Sexualität junger Mädchen beschreibt sie eher mit einer Portion Moussaka, die in einer Tupperdose unter Verschluss ist.“


Das theater Hof/19 in der Bahnhofstraße Oldenburg, Spielort für „Bonobo Moussaka“
Hier geht's lang: Das theater Hof/19 liegt etwas versteckt in der Bahnhofstraße. (Bild: Kulturschnack)

Wer jetzt vermutet, es ginge in erster Linie um das Paarungsverhalten der Jugend, liegt damit allerdings falsch. Die literarische Vorlage nimmt zwar tatsächlich kein Blatt vor den Mund und das Stück übernimmt diese Haltung. Jedoch gibt es jenseits davon eine größere inhaltliche Tiefe: „Es geht um die Innensicht einer modernen jungen Frau“, erläutert Frauke, „und auch um Rückblicke auf ihr Leben, die immer wieder im Stück thematisiert werden.“



Eine Art Traurigkeit


Tatsächlich geht es auf den 113 Seiten der literarischen Vorlage in die Tiefe: Eine alleinerziehende Mutter zweier Kinder wirft einen desillusionierten Blick auf ihr Leben und auf die Welt, in der sie ihren Sohn und ihre Tochter aufzieht. Bereits die ersten Sätze des Buchs geben einen Eindruck ihres Innenlebens;


“Letztes Jahr bin ich 36 geworden. 36 Jahre. Das war im Oktober. An dem Tag beschlich mich ein ganz komisches Gefühl. So eine Art Traurigkeit. Gemischt mit Wut. Abscheu. Empörung. Viel Scham. Und viel Angst. Ja, so was in der Art.“

Das Cover des Buchs „Bonobo Moussaka", das vom Theater hof/19  in Oldenburg auf die Bühne gebracht wird.
Bestseller: „Bonobo Moussaka war auch als Buch ein Erfolg. (Bild: dtv Verlag)

Danach stürzt sie sich in einen „Rant“, ein Stakkato aus Gedanken und Gefühlen, aus Eindrücken und Emotionen. Als Kristallisationspunkt für all das dient ihr das Weihnachtsfest des Vorjahres. Damals war die Protagonistin bei ihrem Cousin in seiner latent dekadenten Vorortvilla zu Gast. Mit am Tisch saß die Familie eines befreundeten Bankers - der sämtliche Vorurteile auf sich vereinte, die man dieser Berufsgruppe gerne zuschreibt. Aus dieser im Grunde simplen personellen Konstellation holt Dieudonné in ihrem schmalen Büchlein alles heraus - indem sie Denken und Handeln der Beteiligten einfach ungeschützt aufeinanderprallen lässt.



Spannend, rasant, humorvoll


„Im Grunde ist es ein Weihnachtsessen wie viele von uns es kennen“, beschreibt Frauke das Setting. Eigentlich sei es das Fest der Liebe, aber oft prallten verschiedene Lebensmodelle am üppig gedeckten Tisch aufeinander. So gehe es auch der Protagonistin. „Wir sehen ein spannendes Kräftemessen zwischen den Gästen und ihr. Das alles ist rasant und oft auch humorvoll inszeniert. Das Besondere ist, dass wir dieses Stück in dem Spannungsfeld von Schauspiel und Tanz inszeniert haben und die beiden Kolleginnen Maike Jebens und Eleonora Fabrizi das alles großartig auf die Bühne bringen.“


DIE NATUR ALS VORBILD?

DAS SOZIALVERHALTEN DER BONOBOS


Bei Bonobos handelt es sich um Zwergschimpansen. Sie unterscheiden sich äußerlich von den Gemeinen Schimpansen durch deutlich längere Beine, rosa Lippen und ein dunkleres Gesicht. Daneben gibt es zahlreiche weitere Unterschiede, sowohl physisch als auch im Verhalten. Und letzteres ist, wofür Bonobos bekannt sind.


Ein Bonomo-Affe
Ganz entspannt: Bonobos pflegen ein aktives Sozialverhalten (Bild: Wikipedia Commons)

Sie praktizieren eine Vielfalt von Sexualkontakten, die Tiere kopulieren täglich mit verschiedenen Partnern. Dieser Geschlechtsverkehr erfolgt in unterschiedlichsten Stellungen und beinhalten gelegentlichen Oralverkehr, das Streicheln der Genitalien und Zungenküsse.


„Aus Furcht, dass dies den Eindruck einer krankhaft sexbesessenen Spezies erweckt, muss ich hinzufügen, basierend auf hunderten Stunden der Beobachtung von Bonobos, dass ihre sexuelle Tätigkeit eher beiläufig und entspannt ist. Sie scheint ein vollständig natürlicher Teil ihres Gruppenlebens zu sein. Wie Menschen üben Bonobos die Sexualität nur gelegentlich, nicht ununterbrochen aus. Außerdem ist der sexuelle Kontakt bei einer durchschnittlichen Kopulationsdauer von 13 Sekunden eine nach menschlichen Standards ziemlich schnelle Angelegenheit.“ (Frans de Waal)


(Quelle: Wikipedia)


Die Wucht der Bühne


Adeline Dieudonné gelang im Jahr 2018 der große Durchbruch mit ihrem Romandebüt „Das wirkliche Leben“; seitdem ist sie ein Star der französischsprachigen Literaturszene. „Bonobo Moussaka“ entstand aber bereits im Vorfeld und fand den Weg von der Bühne in den Druck, nicht etwa anders herum. Das ist dem Werk auch positiv anzumerken: Es hat eine Kraft und Wucht, die sich aus der körperlichen Aktion speist. Die Protagonistin lässt das Publikum ihre Wut, ihre Angst, ihre Verzweiflung spüren. Es ist ein genialer Kniff, den Monolog mit einer Tanzperformance zu kombinieren, so dass diese Körperlichkeit ein größeres Gewicht bekommt.


Das Stück bietet aber auch Raum für die Gegenperspektive, denn immerhin - das ist spürbar - ist die namenlose Protagonistin froh darüber, zumindest keinen moralisch fragwürdigen Beruf auszuüben, wie es ihr weihnachtlicher Tischnachbar tut. Und bevor sich Banker nun gekränkt fühlen: Es handelt sich um einen bestimmten Typus dieser Berufsgruppe, der seine Überheblichkeit bis zur Skrupellosigkeit auslebt.


Szene aus dem Stück „Bonobo Moussaka“ des Theater Hof/19 in Oldenburg.
Mit Kraft und Wucht: Die Inszenierung von Marie-Luise Gunst und Frauke Allwardt überträgt die Intensität des Textes auf die Bühne - von der er ursprünglich auch stammt. (Bild: Izabela Clausen)

Ein erfüllter Wunsch


Dass dieses ungewöhnliche Werk seinen Weg in den Spielplan des Theater Hof/19, haben wir einem Zufall zu verdanken: „Ich habe das Buch geschenkt bekommen und dachte sofort: Das will ich auf de Bühne bringen“, erinnert sich Frauke zurück. „Außerdem hatte ich schon lange vor, einmal ein reines Frauenprojekt zu realisieren.“ Marie-Luise Gunst, die zusammen mit Frauke die Regie übernimmt, Schauspielerin Maike Jebens und Tänzerin Eleonora Fabrizi seien sofort begeistert gewesen. „Danach fing die Organisation an: Wann kann es im Haus stattfinden und gibt es genug zeitliche und personelle Kapazitäten? Anträge müssen geschrieben werden, der Verlag muss seine Zustimmung geben und so weiter. Aber: alles hat gut geklappt!“


Zum Glück! Denn so kommt das Publikum in den Genuss eines intensiven, mitreißenden Monolog- und Tanzstücks, das - wie immer im Hof/19 - Performerinnen und Publikum ganz nah zusammenrücken lässt. Wenn man so will, nehmen die Gäste ebenfalls Platz an der vorweihnachtlichen Tafel und spüren das wirkliche Leben in all seiner Widersprüchlichkeit - eine lohnende Erfahrung, eben weil man nicht selbst Teil der Konflikte ist. Grund genug also, die Liste der persönlichen Vorweihnachtsrituale zu erweitern - um einen Besuch im theater Hof/19!


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