Der Sommer gilt als Zeit der Erholung, die warme Jahreszeit wirft aber auch Fragen auf. Wohin verreist man nur? Wie lang, auf welche Art und warum nicht auch noch woanders hin? Die Möglichkeiten sind endlos, die damit verbundenen Unsicherheiten allerdings auch. Vielleicht bleibt man doch besser daheim. Zumal die Kultur uns den Sommer an der Hunte versüßt. Wie genau? Das verraten wir in dieser kleinen Serie.
Wenn man absolut keine Ahnung davon hätte, wann in Niedersachsen die Sommerferien beginnen, man würde trotzdem unweigerlich Notiz davon nehmen. Ab dem ersten Ferientag leeren sich die Straßen zusehends, zeitweise sind sie sogar gähnend leer. Ganz Oldenburg scheint nur auf diesen Moment gewartet zu haben, um der Stadt eilig den Rücken zu kehren. Und tschüß!!
Ganz Oldenburg? Nein, denn eine gar nicht so kleine Schar hält es durchaus auch im Juli und August an der Hunte aus. Und das nicht nur, weil wir hier von großen Hitzewellen meist verschont bleiben, sondern auch, weil Oldenburg im Sommer eben kein verschlafenes Nest ist, sondern ein lebendiger Ort - mit einem äußerst attraktiven Kulturprogramm.
CINE K SOMMER KINO
31. JULI - 31. AUGUST 2024
VERSCHIEDENE STARTZEITEN: 20:30 - 21:45 UHR
BAHNHOFSTRAßE 11
26122 OLDENBURG TICKETS
Not zur Tugend
Es war im Frühsommer 2020. Die Corona-Pandemie legte gerade weite Bereiche des Kulturbetriebs lahm, da reifte bei einigen findigen Kinobetreibern eine Idee: Die Wiederbelebung des Autokinos! Es war die ideale Lösung für die Zeit der Abstandsregeln: Jeder konnte in der sicheren Umgebung seines Autos einen Kinofilm gucken - und ein kleines Stück Alltag zurückerobern. In Oldenburg war das unter der Regie des Cine k auf dem Gelände der Weser-Ems-Hallen möglich - und funktionierte hervorragend,
Autos waren im Jahr darauf zum Glück nicht mehr zwingend nötig, um ins Kino zu gehen. Den Charme der Outdoor-Veranstaltungen war aber sowohl den Macher:innen als auch den Filmenthusiast:innen noch gut in Erinnerung. Und so entschied sich das Cine k dazu, weiterhin Filme unter freiem Himmel zu zeigen - dieses Mal aber im eigenen Hinterhof, begleitet von kleineren Events. Dieser Ort ist im Anschluss an den Kultursommer mittlerweile zu einer Institution geworden, die Open Air-Screenings haben viele Fans gewonnen - und das nicht erst seit dem Barbenheimer-Phänomen im letzten Jahr. Warum ist das so? Was ist das Geniale daran? Darüber haben wir mit Juliane Taggeselle gesprochen, der Pressesprecherin des Cine k. Ihr Antworten zeigen: Dort sind Menschen mit Leidenschaft am Werk, für die Kino viel mehr ist als nur das Abspielen von Filmen. Aber: Lest selbst.
Kino schirmt die Außenwelt normalerweise ja vollständig ab. Mit dem Sommer Kino macht ihr quasi das Gegenteil. Was ist das Schöne daran?
Ich würde grundsätzlich sagen, das Kino immer den Zugang zu anderen Welten und Realitäten eröffnet, aber natürlich einen dunklen Raum braucht, damit sich die Bilder bestmöglich entfalten können. Beim Open Air Sommer Kino ist es ähnlich: wir warten den Einbruch der Dunkelheit ab und starten dann mit den Filmen. Allerdings ist es im Sommer natürlich viel schöner, draußen zu sitzen als drinnen im Kino.
Die Sonne geht langsam unter, ein kühlendes Lüftchen kommt auf, der Scherenschnitt der den Kulturplatz umgebenenden Häuser und Bäume färbt sich langsam schwarz und die Sterne fangen an zu funkeln. Das ist einfach ein traumhaftes Setting, um sich in Filme hineinziehen zu lassen und laue Sommerabende zu genießen. Aber spannend, dass du zur Abschirmung fragst: aufgrund von Lautstärke, die Filme im Open Air-Setting verursachen, läuft der Filmton bei uns über Kopfhörer, um die Nachbarschaft nach 22 Uhr nicht zu stören. Publikumsstimmen haben gesagt, dass es eine schöne Kombination sei aus der sommerlichen Umgebung, die man wahrnimmt und einer Fokussierung auf den Film durch die Abkapselung der Kopfhörer.
Ihr kuratiert jedes Jahr ein eigenes Programm für das Sommer Kino. Wählt man thematisch eigentlich andere Filme aus, als wenn man für drinnen plant? Prinzip: Feelgoodmovie statt Psychothriller?
Beim Kuratieren unseres „Drinnen-Programms“ haben wir das Augenmerk auf aktuelle Filmstarts im Arthouse-Bereich. Hinzu kommen Kooperationen mit lokalen Gruppen wie hakOLnoa, Koloniale Kontinuitäten, Silberfilm oder der Fachschaft Philosophie. Wenn es um das Programm des Sommer Kinos geht, ist dieses schon noch größer und etwas umfassender angelegt. Wir sind finanziell auch auf die Einnahmen beim Ticketverkauf angewiesen, was natürlich auch das Programm in gewisser Weise beeinflusst. Aber wir versuchen unserer Linie treu zu bleiben und ein „entweder oder“ bzw. das eine statt des anderen zu vermeiden, sondern möglichst viele Genres und Stimmungen abzudecken und damit eine vielfältige Mischung an Filmen anzubieten. Damit bekommt neben viel guter Laune auch Stimmungen und Geschichten einen Platz, die ebenso Teil der Realität sind.
Kann sich sehen lassen: Das diesjährige Programm überzeugt einmal mehr durch Abwechslung und Qualität. Zum Vergrößern der Kacheln einfach aufs Bild klicken.
Was bedeutet das konkret? Auf was darf sich das Oldenburger Publikum einstellen? Oder besser gesagt: vorfreuen?
Als Resümee des bisherigen Kinojahres gibt es dementsprechend bekannte Filmhits wie z.B. „Poor Things“ und „Anatomie eines Falls“, den Animationshit „Alles steht Kopf 2“ oder „Love Lies Bleeding“ zu sehen, der sich gerade zum Kulthit der LGBTQI-Community entwickelt. Aber auch leisere Filmperlen, die nicht immer die große Öffentlichkeit bekommen, die sie eigentlich verdient hätten, haben wir im Programm. Mit Neustarts wie „Gagarine“ und „Was will der Lama mit dem Gewehr“ und einer Vorpremiere von „Gloria!“ beziehen wir auch aktuelle Filme mit ein. Im Sommer Kino fließt also eine bunte Mischung an Genres, an Produktionsländern (Deutschland, Frankreich, Irland, England, USA, Italien, Japan, Taiwan, Schweiz) und Realitäten und Stimmungen zusammen.
Eine Balance zwischen Feelgood-Movies, Komödien, aber auch Dramen und nachdenklicheren Tönen, politischem Kino, Konzertfilmen, Animationsfilmen und Filmgeschichte. Und eben auch besondere Formate wie eine Open-Air-Version des „cine kwiz“ für alle Quizfans und eine Vertonung eines Filmklassikers „Koyaanisqatsi“ mit Klangperformer Sven Strohschnieder alias Billion One, der die Soundebene des Films mit elektronischer Musik live neu interpretiert. Auch der Stummfilmlyriker Ralph Turnheim kreiert einen besonderen Abend, indem er drei Stummfilmen - darunter Buster Keatons Klassiker „Sherlock Jr.“ der in diesem Jahr sein 100 jähriges Jubiläum feiert – mit viel Witz seine Stimme leiht.
FÜNF GUTE GRÜNDEOberflächlich betrachtet spricht eigentlich nicht viel dafür, Kinofilme unter freiem Himmel zu zeigen. Die Lichtverhältnisse sind nicht optimal, das Wetter kann umschlagen, der Ton muss irgendwie ans Ohr. Warum das Sommerkino trotzdem eine wunderbare Sache ist? Dafür nennen wir euch fünf gute Gründe.
GRUND 1: DRAUßEN GUCKT MAN SONST NIE GRUND 2: SELBER SUCHEN IST ERMÜDEND GRUND 3: ENDLICH ZEIT FÜR ANDERES GRUND 4: GEMEINSAM IST ES SCHÖNER GRUND 5: DER RAHMEN SPIELT EINE ROLLE ABER: WAS IST MIT DEM WETTER?
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Du hast es eben schon angedeutet: Ihr zeigt normalerweise ja gerne Filme aus dem Arthouse-Bereich. Die sind künstlerisch hochwertig, haben einen gewissem Anspruch und/oder eine inhaltliche Relevanz. Muss man eine cineatische Vorbildung mitbringen?
Nein, keine Sorge!. Es wird Filme geben, die mit namhaften Schauspieler:innen wie Kristen Stewart, Emma Stone, Willem Dafoe, Juliette Binoche und Sandra Hüller locken und die vom breiten Publikum gefeiert werden. Ihren festen Platz haben aber auch Erstlingswerke, experimentellere Formate, bewegende Themen und außergewöhnliche Erzählweisen. Ebenso zeigen wir fünf Filme auch in Originalsprache mit Untertiteln. Bekanntheit, Wertigkeit und Relevanz müssen sich ja auch nicht zwingendermaßen ausschließen. Gewohntes und Ungewohntes auf der Leinwand zu sehen kann beides gleich reizvoll sein. Wir trauen dem Oldenburger Publikum durchaus auch Freude an Neuem und Anderem zu.
Es gibt tausende Filme, Ihr habt die Qual der Wahl. Fällt es schwer, sich auf die passenden Filme festzulegen?
Auf jeden Fall! Es gibt einfach so viele tolle Filme und so verschiedene Geschmäcker - und dann kommen natürlich auch immer noch spannende Neustarts dazu. Alle aus dem Team können Vorschläge machen und Wir starten mit einer langen Liste an Ideen. Die dampfen wir in langen Gesprächen und Abwägungen auf die 23 Sommer Kino-Abende ein. Dabei hilft aber auch, dass wir im Team unterschiedliche Interessen und Ideen mitbringen, um einem abwechslungsreichen Programm und einer Vielfalt möglichst nahe zu kommen, bei dem für alle Oldenburger:innen etwas dabei ist. Ihr habt auch immer ein Rahmenprogramm dabei. Ist das Beiwerk oder Bereicherung?
Das ist in jedem Falle Bereicherung. Generell versuchen wir mit unserer Kinoarbeit auch immer den Raum für lokale Gruppen zu öffnen und Kooperationen zu starten, die aus der Stadtgesellschaft kommen. Also Themen und Aktionen aufzunehmen, die gerade Gruppen in Oldenburg bewegen. Dieses Jahr z.B. zeigen wir „Koyaanisqatsi“ in Kooperation mit dem „Markt der Zukunft“, der am selben Tag tagsüber auf dem Schlossplatz stattfindet und sich dem Austausch über die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen widmet. Abends schließt der Film dann thematisch mit faszinierenden Bildern, die die stille Schönheit der Natur dem pulsierenden Leben moderner Großstädte gegenüberstellt, an. Den Abschluss des Sommer Kinos bildet ein „Solifest für Hanau“, dessen Tagesprogramm von „United Against Racism Oldenburg“ erarbeitet wurde. Von Vorträgen, einer Lesung von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah aus "Eure Heimat ist unser Albtraum" bis Live-Musik spannt sich das Programm bis zum Film „Ellbogen“, der auf der Berlinale bereits euphorisch gefeiert wurde.
DIE EVENTS MEHR ALS (SOMMER-) KINO Kino unter freiem Himmel ist eigentlich reizvoll genug, weitere Argumente bräuchte es gar nicht. Doch das Cine k wäre nicht das Cine k, wenn es sich nur auf Screenings beschränken würde. Als Kontext gibt es eine ganze Reihe an Veranstaltungen. Welche genau? Das verraten wir hier. SONNTAG, 11. AUGUST, 19 UHR CINE-KWIZ OPEN AIR EDITION Du fühlst dich im Popcornkino genauso wohl wie im Arthouse? Du kennst die geheimen Hobbys der Hollywoodstars und weißt ganz genau, welche Tricks und Kniffe die großen Regisseure verwenden? Und du möchtest dein Filmwissen unter Beweis stellen? Dann schnapp dir weitere (Film-) Quizfans und sei dabei! Für alle, die sich noch nicht so gut auskennen, lohnt sich der Spaß ebenfalls - denn mit dem Kwiz bekommt man auf spielerische Art geballtes Kinowissen vermittelt. SONNTAG, 25. AUGUST, 21 UHR LIVE-VERTONUNG VON SVEN STROHSCHNIEDER
UDie Soundebene des Filmklassikers KOYAANISQATSI - im Original mit Musik von Philip Glass - wird neu interpretiert von Sven Strohschnieder alias "Billion One". Seine Live-Vertonung ist ein Mix aus abstrakten Beats, Poststep, SlowHouse und Ambient, die er mit Synthesizer, Controller und Drumpads erzeugt. Durch "Billion One"'s analogen und „Field Recording" Sound verleiht er seinen Audioperfomances einen natürlichen Klang, was sich auf ganz besondere Weise mit der Atmosphäre der Filmbilder verbindet. Stroh-Schneider spielte unter anderem bereits auf dem Dockville Festival in Hamburg, auf dem Pazz-Festival Oldenburg (u.a. mit Robot Koch) und dem EventDeduitse Ambassade in Groningen sowei bei der Breminale. SAMSTAG, 31, AUGUST, 15 UHR: SOLI-FEST FÜR HANAU Zum vierten Mal veranstalten United against Racism Oldenburg, das Cine k und das Medienbüro Oldenburg mit vielen weiteren Unterstützer*innen das SOLIFEST FÜR HANAU 2024. Mit Livemusik, einem Vortrag der Bildungsinitiative Ferhat Unvar aus Hanau, einer Lesung von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah, unterschiedlichsten Infoständen, gutem Essen und dem Kinofilm ELLBOGEN als Abschluss im Open Air-Kino sollen so viele Spenden wie möglich für die Bildungsinitiative und ihre wichtige Arbeit gesammelt werden..
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Welchen Film darf man nicht verpassen?
Alle natürlich – die Entscheidung fällt wirklich schwer ;) Meine persönlichen Favoriten sind: „Morgen ist auch noch ein Tag“, weil ich ihn leider verpasst habe, als er im Kino lief. Auch wenn es darin u.a. um häusliche Gewalt gegenüber Frauen geht, schafft es die Regisseurin wohl, gekonnt zwischen Drama und Komödie zu springen und eine Geschichte weiblicher Solidarität zu erzählen, die Mut macht. „Love Lies Bleeding“ möchte ich natürlich auch sehr gerne sehen. Bei „Gagarine“ bin ich total gespannt darauf, wie die Geschichte erzählt wird. Die Filmbilder sahen so fantasivoll und ästhetisch aus und haben mir Lust auf mehr gemacht. Verabredet euch, kommt vorbei und verbringt einen stimmungsvollen Sommerabend mit uns auf dem Kulturplatz!
Frischluft für den Kopf
Die Corona-Epidemie war ohne jeden Zweifel eine äußerst bescheidene Zeit für uns alle. Dennoch gab es auch positive Entwicklungen - wie zum Beispiel den Erfindungsreichtum der Kulturszene. Einige Formate waren weit mehr als eine Reaktion auf die Situation, es waren ausgezeichnete Ideen, die unsere Stadt nun dauerhaft bereichern.
Neben einigen anderen gehört auch das Sommer Kino des Cine k dazu. Hier hat sich ein Angebot entwickelt, das viele Filmfans nicht mehr missen möchten - und das mit seinem hevrorragenden Programm immer wieder neue Fans hinzugewinnt. Die Mischung aus alten Klassikern, Dokumentationen mit wichtigen Anliegen, anspruchsvollen Arthouse-Filmen und spektakulärsten Hollywood-Hits lässt keine Wünsche offen. Und deshalb heißt es auch in diesem Jahr: Sommer? Kino!
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