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LET'S TALK ABOUT DEATH

Wie werden alle sterben. Ausnahmslos. Und was dann kommt, weiß niemand. Die meisten von uns versuchen, die damit verbundene Unsicherheit - oder ist es Angst? - zu bewältigen, in dem sie sich auf keinen Fall auch nur im geringsten mit diesem Thema beschäftigen. Warum das keine Lösung ist und welche besseren Alternativen es gibt? Das zeigt das Death Café der Stiftung Hospizdienst und des Oldenburgischen Staatstheaters.


Symboldbild mit Dias de los Muertos-Motiven anlässlich des Death Café des Oldenburgischen Staatstheaters in Oldenburg
Zu Tode betrübt? Nicht in Mexiko, dort wird der „Dia de los Muertos“ mit buntem Trubel gefeiert. Und in Oldenburg? (Bild: Shutterstock)

„In dieser Welt gibt es nichts, das vollkommen sicher ist - außer Tod und Steuern.“ So soll es einst der US-amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin gesagt haben. Und während die Steuern mit gnadenloser Effizienz von den Finanzämtern eingetrieben werden, lässt man uns mit dem Tod allein. Was fangen wir nur mit ihm an?


Obwohl er zu den wenigen Gewissheiten im Leben zählt, versuchen wir das Thema weiträumig zu umschiffen. Das eigene Ende und all die Fragen, die damit einhergehen, wirken offensichtlich abschreckend auf uns. In etwa so, als würde allein das Sprechen über den Tod bewirken, dass er uns gleich darauf heimsucht. Warum das so ist? Und warum das nicht so sein muss? Das erfahren wir - entspannt und angstfrei - im Death Café, der Stiftung Hospizdienst Oldenburg und des Oldenburgischen Staatstheaters.


 

OLDENBURGISCHES STAATSTHEATER


DEATH CAFÉ


SONNTAG, 24. NOVEMBER, 14 UHR

SONNTAG, 19. JANUAR, 14 UHR


EINTRITT FREI!


EXERZIERHALLE

26121 OLDENBURG


 

Perfektes Timing für den Tod


Fall es einen guten Moment gibt, über Vergänglichkeit zu sprechen, dann ist es vermutlich der November. Mit Volkstrauertag, Buß- und Bettag sowie Totensonntag trägt er eine düstere Schwere mit sich herum, die mit den kürzeren, kälteren, nasseren, düsteren Tagen eine trübe Kombination bildet. Aber auch die anderen norddeutschen Wintermonate sind bestens geeignet - schließlich sind wir sowieso von ewiger Finsternis eingehüllt. Kein Wunder also, dass diese Phase auch das natürliche Habitat für Death Café ist, dessen Saison stets mit dem Totensonntag beginnt.


Symboldbild mit Kaffeetasse und Skelett anlässlich des Death Café des Oldenburgischen Staatstheaters in Oldenburg
Auf einen Kaffee mit dem Tod: Das ist viel angenehmer als man es sich vorstellt - und verkürzt die Lebenserwartung nicht. (Bild: Shutterstock)

Wobei wir an dieser Stelle natürlich schon bei der entscheidenden Frage sind: Warum haben wir hier eine Verbindung zwischen Düsternis und dem Tod hergestellt? Warum empfinden wir diese Kombination als passend? Und warum gehen damit stets Schwermut und Trübsal einher? Der „Dia de los Muertos“ in Mexiko ist vielleicht der beste - auf jeden Fall der bunteste - Beweis, dass es auch ganz anders geht. Und das Death Café? Ist deutlich leiser, schlägt aber letztlich in die gleich Kerbe. Sein Ansatz:


Lasst uns den Tod doch einfach mal anders behandeln, ihn von seiner Tonnenschwere befreien und bei Kaffee und Keksen darüber sprechen, als wäre es ein normaler Teil unseres Lebens. Denn genau das ist er.

WISSENSCHAFTLICH ERMITTELT DER TOD IST WITZIG In den Jahren 2001/2002 hat der britische Psychologe Richard Wiseman von der University of Herfordshire 40.000 Witze von Menschen auf der ganzen Erde bewerten lassen und so den lustigsten Witz der Welt ermittelt. Eine zentrale Rolle spielt dabei: Der Tod.

Zwei Jäger sind im Wald auf der Jagd, plötzlich bricht einer von ihnen zusammen. Er scheint nicht mehr zu atmen. In Panik ruft der andere von seinem Handy den Notruf an und stottert aufgeregt: „Ich... ich glaube, mein Freund ist tot. Was soll ich denn jetzt nur machen?“ Da antwortet die Stimme vom Notruf: „Nun beruhigen Sie sich erstmal. Und dann gehen Sie sicher, dass er tatsächlich tot ist.“ Nach einem Moment der Stille ertönt ein Schuss. Wieder zurück am Telefon, fragt der Jäger: „Okay, und was jetzt?“ Egal, wie lustig man diesen Witz findet: Er zeigt, dass wir durchaus in der Lage sind, den Tod mit Humor zu nehmen. Aber offenbar nur, so lange er abstrakt bleibt, also uns nicht direkt betrifft. Mit dem Death Café wird das Sterben nicht gleich zu einer lustigen Angelegenheit - aber die Anspannung beim Umgang damit dürfte sich fühlbar lockern.


Momento mori statt Vanitas


Die Idee des Death Cafés gibt es nun schon eine Weile. Ins Leben gerufen (sic!) wurde es 2011 in England von Jon Underwood und Sue Barsky Reid, basierend auf einer Idee des Schweizers Soziologen Bernard Crettaz. Seither hat sich die Idee weltweit augebreitet. Nach Angaben der entsprechenden Website haben bereits rund 20.000 Death Cafés in fast 100 Ländern stattgefunden. Die einzelnen Veranstaltungen werden aber nicht zentral organisiert, vielmehr handelt es sich um ein „Social Franchise“: Wer sich an bestimmte Regeln hält, kann ein Death Café veranstalten.


Ein Kernbestandteil aller Death Cafés ist deren Offenheit. Sie haben keine konkrete Agenda und wollen kein konkretes Ergebnis erreichen. Das Gespräch fließt - wohin genau, steht nicht fest und hängt von den Teilnehmer:innen ab. Ein Ziel ist es dabei, dem Tod den Schrecken zu nehmen und ihn als etwas Selbstverständliches wahrzunehmen - eben genau wie die Steuern. Ein anderes Ziel ist aber ebenso wichtig: Die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit („Memento Mori“) soll dazu beitragen, aus der verbleibenden Lebenszeit das Beste herauszuholen. Das ist wie bei Konzertickets: Erst wenn die Veranstaltung ausverkauft ist, weiß man ganz genau, wie gern man hingegangen wäre.



Allgegenwärtig: Der Tod ist ein Dauergast in der Popmusik. Die Songs haben meist eine düstere Stimmung - manchmal aber auch nicht. Unser Favorit: „I will follow you into the Dark“ von Death Cab for Cutie - gleichzeitig traurig und romantisch und vor allem live ein Erlebnis.


Wir werden alle sterben


Oldenburg war bei den Death Cafés schon früh dabei. Bereits seit 2015 bieten die Hospizstiftung und die Sparte 7 - bekannt als Innovationshub des Staatstheaters - dieses Format zusammen an und haben ihm eine eigene Handschrift verliehen. „Wir haben in der Vergangenheit immer einen 'Opener' organisiert“, berichtet Gesine Geppert, die für die Sparte 7 von Anfang an beteiligt war. Dort seien besondere Themen oder Wissenswertes rund um das Thema Leben, Tod oder Bestattungskultur vorgestellt worden. „Ansonsten ist die Barebene der Exhalle wie ein Café gestaltet, man kann einfach kommen und sich zu einer*einem Ehrenamtlichen der Stiftung Hospizdienst dazusetzen.“


Auch das ist eine Besonderheit: An jedem der Tische sitzen diese Ehrenamtlichen, leiten die Gespräche und können auch liebevoll eingreifen, wenn die Emotionen doch einmal überlaufen, weil sich jemand an einen Trauerfall erinnert oder ein solcher erst kürzlich erlebt wurde. „Bei dem Konzept geht es aber gerade nicht um akute Trauerbegleitung, sondern darum, sich mit dem Thema bewusst auseinanderzusetzen, weil es genauso wie die Geburt oder all die anderen schönen Ereignisse einfach dazugehört“, betont Gesine.


DAS ZUKUNFTSLABOR DES STAATSTHEATERS DIE SPARTE 7 IM PODCAST

Die Sparte 7 des Oldenburgischen Staatstheaters ist eine wichtiger Impulsgeber für die Kulturszene - nachzuhören in Folge 27 unseres Podcasts. Im Falle des Death Café war sie allerdings nicht Initiator, sondern Kooperationspartner. Und so mussten sich Verena Katz und Gesine Geppert erst einmal selbst an das Thema gewöhnen.

„Als Christina Stöcker und Genoveva Wieland, die das Konzept als Studienprojekt entwickelt haben, und Lucia Loimayr-Wieland von der Stiftung Hospizdienst das erste Mal bei uns im Theater saßen, um über das Death Café zu reden, hatte ich noch Berührungsängste mit dem Thema“, blickt Gesine zurück. „Mit dem Tod hatte ich mich wenig auseinandergesetzt und auch immer Angst, mit ihm oder Hinterbliebenen umzugehen.“ Das habe sich durch das Format und die Veranstaltung geändert. Der Tod sei präsenter, aber auch weniger furchterregend. „Er gehört dazu und bestenfalls hat man eine Idee, wie er seinen Raum einnehmen darf, wenn er denn da ist und wie ein Abschied schön gestaltet werden kann. Aber natürlich gibt es auch Tage, an denen man nicht über den Tod sprechen möchte, oder selber Mal einen akuten Trauerfall im eigenen Umfeld hat und deshalb nicht die nötige Distanz mitbringt.“ Dann sei es hilfreich, dass man nur Kooperationspartner sei und selbst keine Gespräche leite. Letztlich erging es der Sparte 7 also auch nicht anders als allen anderen: An das Thema Tod muss man sich herantasten - dann aber lohnt sich die Auseinandersetzung sehr.


Dass die Besucher:innenzahl der Death Cafés durchaus schwankt, ist indes kein Indiz für mangelndes Interesse. Im Gegenteil, es ist ein Beweis für die Notwendigkeit. Die Schwellenangst ist bei diesem Thema so groß, dass bei vielen Fluchtreflexe einsetzen. Obwohl wir dem Tod allabendlich in beinahe jedem Streamingformat begegnen und wir die zunehmend expliziten Formen des Dahinscheidens ohne Wimpernzucken konsumieren, hört der Spaß bei uns selbst auf. Doch irgendwann merken wir alle, was Franklin schon im 18. Jahrhundert feststellte: An den Steuern um dem Tod kommen wir nicht vorbei. Und in beiden Fällen gilt: Besser, man hat sich irgendwie vorbereitet.



Kaffee, Kuchen, Tod


Jeweils drei Stunden sind Zeit, um in der Exhalle einmal ganz entspannt über den Tod zu plaudern, nebenbei am Kaffee zu schlürfen oder einen Keks zu knabbern. Klingt gemütlich? Ist es auch! Und zwar nicht nur für Ältere, die sich zunehmend bewusst sind, dass ihr Leben irgendwann endet - sondern auch und gerade für Jüngere. Denn je früher man sich klarmacht, dass die Zeit auf Erden begrenzt ist, desto eher beginnt man damit, seine Möglichkeiten zu nutzen.


„You don't know what you got till it's gone:“ Dieses Prinzip gilt eben auch für das eigene Leben.

Symboldbild mit Kaffeetasse und Dias de los Muertos-Plätzchen anlässlich des Death Café des Oldenburgischen Staatstheaters in Oldenburg
Kaffee, Plätzchen, Tod: Natürlich kann man im Tod etwas Schreckliches sehen - muss man aber nicht. (Bild: Sparte 7)

Selbst wenn man panische Angst vor dem Tod verspürt, sollte man das Death Café ausprobieren. Beziehungsweise: gerade dann. „Vielleicht nimmt einem das Sprechen die Angst und die Berührungsängste“, vermutet Gesine. Denn wer Angst habe, erstarre bei einer unvorbereiteten Konfrontation. „Wenn man sich aber frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzt, dann kann man vielleicht einen schönen und zugewandten Umgang damit finden.“ Die meisten Besucher:innen seien im Nachhinein glücklich, das Death Café besucht zu haben, auch wenn es sie beim ersten Mal durchaus Überwindung gekostet habe. „Wenn die dann glücklich gehen, dann hat das Death Café doch alles richtig gemacht“, findet Gesine - und da stimmen wir zu.


Vielleicht nimmt uns so ein Nachmittag nicht die Furcht vor dem Ungewissen. Doch er kann uns dabei helfen, entspannter mit der Frage nach dem „großen Danach“ umzugehen - und unseren Frieden mit der Endlichkeit zu machen. Und wenn sich immer noch jemand fürchtet, Gevatter Tod könnte nach dem Besuch eines Death Cafés früher vorbeischauen als es das Schicksal eigentlich vorgesehen hatte: Keine Sorge, bisher kam es zu keinen gehäuften Todesfällen nach einer Veranstaltung. Also: Let's talk about Death - wir werden sowieso alle sterben.

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