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NUR KI-NE ANGST

Die künstliche Intelligenz ist das größte technologische Thema unserer Zeit. Mit ihr gehen viele Hoffnungen und noch mehr Ängste einher, eher kurz-als mittelfristig aber auch enorme gesellschaftliche Verwerfungen. Eine „Artificial General Intelligence“ (AGI) würde Millionen Arbeitsplätze kosten. Schön ist es deshalb, wenn wir uns vorerst noch mit harmlosen Spielereien beschäftigen dürfen - wie der Begegnung des zutiefst analogen Zeichengenies Horst Janssen mit den Möglichkeiten der KI.


Selbstportrait der Zeichenkünstlers Horst Janssen, zu sehen im Horst-Janssen-Museum-Oldenburg
Was Janssen von KI gehalten hätte, wissen wir nicht. Was die KI von Janssen hält, allerdings schon. Was genau? Das erfahrt ihr jetzt im Horst-Janssen-Museum. (Bild: Horst-Janssen-Museum/Kulturschnack)

Ausgerechnet Janssen! Man darf sich fragen, was der begnadete, häufig aber auch unberechenbar irrlichternde Künstler zum Thema KI wohl gedacht hätte. Wäre ihm die kalte digitale Effizienz zuwider gewesen? Oder die Tatsache, dass unabhängig vom Talent plötzlich jede:r Kunst schaffen könnte? Oder hätte er es geliebt, seine überbordende Kreativität auf Knopfdruck in Bilder verwandeln zu können?


Wie wissen es nicht. Einiges spräche aber für ersteres. Effizienz gehört nämlich nicht zu den Dingen, die Janssen besonders faszinierend fand. Zwar arbeitete er selbst manisch und entwickelte dadurch eine enorme Produktivität. Es ging ihm dabei aber nie darum, ein Bild zu erschaffen, sondern vielmehr seine Gedankenwelt zu Papier zu bringen. So wie Janssen zeichnen? Könnte keine KI, ohne dass es einen wie ihn gegeben hat. Was die Begegnung umso spannender macht.


 

HORST-JANSSEN-MUSEUM


DIE NEUE DAUERAUSSTELLUNG:

HORST JANSSEN NEU ENTDECKT UND KI-GECHECKT


AB DEM 14. FEBRUAR 2025


HORST-JANSSEN-MUSEUM

26122 OLDENBURG


 

Genie und Wahnsinn


Janssens Begegnung mit der künstlichen Intelligenz ist Teil der Dauerausstellung „Horst Janssen - neu entdeckt“. Dreimal pro Jahr werden die Werke dort ausgetauscht und inhaltlich neu ausgereichtet. Seit dem 14. Februar liegt der Schwerpunkt auf Selbstportraits - und eben jener KI-Station.


Die Kombination ist einfach der größtmögliche Kontrast: Das Unikum Janssen, ein menschliches Kaleidoskop mit unzähligen Ecken und Kanten, vielleicht der Inbegriff der leidenden Künstlerseele, trifft auf eine digitale künstliche Intelligenz, die sich allein auf kalte Algorithmen beruft, die Kunst zu einer Wahrscheinlichkeitsrechnung degradiert. Hier prallen tatsächlich zwei Welten aufeinander. Aber mit welchem Ergebnis?


Digitalkünstler Gordon Endet an der KI-Station des Horst-Janssen-Museums in Oldenburg
In seinem Metier: Digitalkünstler Gordon Endt entwickelte für die Kunstschule eine begehbares Kunstversion von Oldenburg - nun ließ er eine KI Horst Janssens Werke analysieren. (Bild: Horst-Janssen-Museum)

Ein durchaus Überraschendes, wie Digitalkünstler Gordon Endt festgestellt hat. Der ehemalige Stipendiat der Oldenburger Kunstschule und Absolvent der HBK Braunschweig hat gewissermaßen den Vermittler gespielt und Janssen auf ChatGPT treffen lassen. Er hat die KI insgesamt 31 Janssen-Werke analysieren lassen. Dabei hat er genaue Rahmenbedingungen vorgegeben: Die Analyse soll u.a. nicht länger als 50 Wörter sein und die KI soll beurteilen, wie ihr das Bild gefällt. Die Besucher:innen können nun Bildkarten auswählen und in den grauen Kasten der KI-Station hineinschieben. Daraufhin wird die Interpretation der KI angezeigt und vorgelesen. Ausstellungs-Kuratorin Dr. Jutta Moster-Hoos sieht Möglichkeiten und Grenzen:


„Es ist wirklich spannend, was eine Künstliche Intelligenz in den Werken von Janssen nicht nur erkennt, sondern auch atmosphärisch beschreiben kann. Lachen musste ich angesichts der verwendeten Phrasen, die leicht als ‚Kunsthistoriker-Sprech‘ zu entlarven sind.“


Nur ein weiteres Tool? Über KI in der Kunst sprachen (vlnr) Prof. Dr. Tobias Vogt (Institut für Kunst und visuelle Kultur der Uni Oldenburg), Dr. Jutta Moster-Hoos (Leiterin des Horst-Janssen-Museums), Dr. Tim Cofala (Informatiker, der über KI im Medikamentendesign promoviert hat) und Dr. Anna Heinze (Direktorin des Landesmuseums Kunst & Kultur) bei den Kolleg:innen von Oeins.


Aber vielleicht ist das Ergebnis doch nicht so überraschend. Man mag zur Person Horst Janssen stehen, wie man will; und es gibt ja guter Gründe, ihn als Mensch kritisch zu sehen. Seine Kunst ist aber einzigartig. Auch wenn wir jüngst erstaunliche Parallelen zum Schaffen des inzwischen leider verstorbenen David Lynch erleben durften, bleibt Janssens Oeuvre in seiner Gesamtheit eine Welt für sich. Und deren Eigenarten bzw. Qualitäten lassen sich durch die Interpretation einer künstlichen Intelligenz nochmal neu entdecken. Schließlich hängen die 31 Werke im Umfeld der KI-Station an der Wand. Man kann also die „Erkenntnisse“ des Algorithmus mit den eigenen abgleichen und sich von Überschneidungen und Abweichungen faszinieren oder irritieren lassen. Und das ist ein Gewinn!



Ein kühnes Wagnis


Im Teaser-Absatz ist das Wort Spielerei gefallen. Und tatsächlich sind die Ergebnisse der Begegnung zwischen Janssen und ChatGPT zwar spannend, doch bleiben sie anekdotisch, flüchtige Momente des Probierens und Staunens. Trotzdem bietet die kleine KI-Station einen neuen Zugang zu Janssens Kunst. Wer sich mit dem Zeichengenie bisher nicht anfreunden konnte, findet hier einen niedrigschwelligen Einstieg - der zudem an das größte technologische Thema unserer Zeit andockt.



Kunstwerk des Zeichenkünstlers Horst Janssen, zu sehen im Horst-Janssen-Museum Oldenburg
Pastellkreide statt Programmiercode: Horst Janssens Blick auf „Anette liegend unter einer Patchworkdecke“ ist echte Handarbeit. Was wohl die Ki dazu sagt? (Bild: Horst-Janssen-Museum/Kulturschnack)

Sowieso lohnt es sich immer, Janssen neu zu entdecken, wenn die Werke der Dauerausstellung getauscht werden. Immer wieder gibt es neue Facetten des Kaleidoskops Janssen zu entdecken - und so ist es auch dieses Mal mit den Selbstportraits und weiteren Beispielen seines rastlosen Schaffens. Der Weg ins Horst-Janssen-Museum lohnt sich nun aber auch wegen der neuen „Spielerei“. Es bleibt zwar ein kühnes Wagnis, ausgerechnet Janssen mit einer KI zusammenzubringen. Aber vielleicht ist es gerade der große Kontrast, der uns neugierig macht. Probiert es einfach mal aus. Nur KI-ne Angst!


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