Das Beste aus zwei Welten: Letterbox Salvation sind schon so lange Teil der Oldenburger Szene, dass man sie sich ohne Daniel und Alex kaum noch vorstellen kann. Altmodisch klingen sie deswegen aber längst nicht. Ganz im Gegenteil, Letterbox Salvation haben sich stetig verändert und entwickelt. Heute produzieren sie den gleichzeitig reifsten und frischesten Sound ihrer Karriere - wie sie auch bei den Kulturschnack Acoustic Sessions unter Beweis stellten.
Alles begann um die Jahrtausendwende im mittleren Westen der USA. Aus der dortigen Emo-Szene heraus entstand eine neue Singer-/Songwriter-Bewegung um Jonah Matranga von Far und Chris Carabba von Further Seems Forever, die als onelinedrawing bzw. Dashboard .Confessional vielbeachtete akustische Soloalben veröffentlichten. Diese fanden auch in Oldenburg ihre Hörer:innen - unter ihnen der junge Gitarrist Daniel Bremer.
Für ihn waren Releases wie „The Swiss Army Romance“ eine Initialzündung: „Sie haben mich inspiriert, selbst Songs zu schreiben“, erzählt er von seinen Anfängen. Folgerichtig gründete er etwas später The Letterbox Project - gewissermaßen ein Vorläufer seiner heutigen Band. Der Name änderte sich jedoch, als der erste Release anstand und aus dem Projekt eine Dauerlösung werden sollte. „Wir haben lange nach dem richtigen Namen gesucht, nach einer 'Lösung' oder 'Erlösung' - und kamen so auf Salvation“, schildert Daniel den Prozess. Die „Letterbox“ aber blieb - und nimmt bis heute Bezug auf Songs wie „Yr Letter“ und „Living in your letters“ der oben genannten Künstler.
Nordwesten statt Midwest
Wer jetzt vermutet, im Sound von Letterbox Salvation könne man noch Spuren des typischen Midwest-Emo-Sounds entdecken, liegt damit nicht vollkommen falsch - solange man nur die frühen Veröffentlichungen betrachtet. Die ersten beiden EPs und auch das 2010er Album „If the heart could think“ waren beinahe konfrontativ emotional, dabei aber deutlich weniger fragil als die großen Vorbilder. Das dürfte auch an Daniels markanter Stimme gelegen haben, die eben nicht für ein zartes Falsett geeignet ist und stattdessen kehliger und rauer klingt. Den Songs stand diese Akzentuierung aber gut - und so erspielte sich Letterbox Salvation mit ihren Auftritten in Oldenburg und umzu schnell eine größere Fanschar. Die Jutebeutel mit dem ikonischen Cover-Design waren jedenfalls allgegenwärtig.
FAVOURITE SHIRT TOUR LETTERBOX SALVATION LIVE Leider ist die kleine Tour zum Release der neuen Single „Favourite Shirt“ zu diesem Zeitpunkt schon größtenteils gelaufen, ihr könnt aber einen Termin noch wahrnehmen. Also: Ab nach Emden! 18. APRIL - BREMEN, Litfass 20. APRIL - OL, Computer-Museum 21. APRIL - HAMBURG, Indra Musikclub 26. APRIL - JEVER, LOK Kulturzentrum 4. MAI - OL, House Show 14. MAI - EMDEN, Cafe Einstein |
Während man Daniel zu jener Zeit häufig noch allein mit seiner Gitarre antraf - mehr brauchte es meist nicht für ein intensives Konzerterlebnis - wuchs in ihm der Wunsch, vielseitiger zu werden. „Ich hatte einfach Lust, neue Sachen auszuprobieren“, blickt er heute zurück. Zu hören war das bereits auf dem zweiten Album „White Horse Wave“, denn zur Akustikgitarre gesellte sich das Schlagzeug von Alex Schlüter, was den Songs deutlich mehr Dynamik verlieh, aber dennoch erst der Anfang vieler weiterer Entwicklungen sein sollte.
Meilensteine: Die drei Alben und die letzte EP sind allesamt noch auf CD, Tape oder Vinyl im Shop erhältlich. Auf den gängigen Streaming-Plattformen sucht man die älteren Klassiker aber leider vergeblich.
Keine Lust auf Genre-Grenzen
Auf dem dritten Album „Sink or Survive“ aus dem Jahr 2018 konnte man schon ein deutlich breiteres Spektrum an Einflüssen heraushören. Das liegt nicht zuletzt am Kreationsprozess: „Die Songs enstehen fast immer auf der Akustikgitarre“, gewährt Daniel einen Einblick ins Songwriting. Um den besten Vibe und das beste Sound-Gewand für die Songs zu finden, probieren er und Alex verschiedene Dinge aus. „Der Sound, der dann am besten passt oder auf den wir am meisten Bock haben, wird’s dann.“ Deshalb kämen viele verschiedene Facetten und Genres in den Songs und Alben von Letterbox Salvation vor.
„Wir machen halt gerne das, worauf wir gerade Lust haben und finden es auch gut, eben nicht „genre-typisch“ eingeordnet werden zu können.“
Technik und Effekte spielen dabei eine wichtige Rolle. Durch sie könne man viel mehr Dynamik erzeugen und größere Sound-Erlebnisse komponieren und zeigen. Trotzdem schätzen Daniel und Alex auch weiterhin die reduzierte Form ihres Sounds: „Bei rein akustischen Sachen ist wahrscheinlich das Schönste die Intimität. Man kann eine faszinierende Nähe zu den Songs aufbauen und vermitteln.“
Das Beste kommt noch
Für die Kulturschnack Acoustic Sessions haben die beiden mit „Fingers Crossed“ einen Song ausgewählt, der symbolisch für die Gratwanderung zwischen den akustischen Anfängen und den soundtechnischen Möglichkeiten den Gegenwart steht. „Fingers Crossed ist mittlerweile einer unserer Lieblings-Songs“, erklärt Alex. „Wir spielen ihn immer wieder gerne, da wir auch ein bisschen Stolz auf diese Nummer sind.“ Nicht zu Unrecht, schließlich kreiert er eine spezielle Atmosphäre, die jenseits aller Genregrenzen und Zeitkontexten eine ganz eigene Qualität besitzt.
Dass bei Ihrer Acoustic Sessions-Performance durchaus etwas Technik zum Einsatz kam, war übrigens eine ganz bewusste Entscheidung, wie Daniel erklärt: „Es stellt sich immer die Frage, was ein Song gut vertragen, was er aber auch sein kann. Fingers Crossed lebt einfach von seinem 80er New Wave-/Indie Vibe, daher fiel uns die Entscheidung relativ leicht.“ Der Song stammt übrigens von der letzten EP „The Best is yet to come“ aus dem Jahre 2021 - und dieses Versprechen lösen Letterbox Salvation aktuell mit ihrer neuen Single „Favourite Shirt“ auch ein: der treibende Uptempo-Rocksong hätte auch von den ganz großen des Genres - von Sam Fender bis Bruce Springsteen - stammen können.
Zwischen Leidenschaft und Poesie
Wer ihn bei Spotify sucht, dürfte aber enttäuscht werden: Da ist er nicht zu finden - und zwar mit voller Absicht. „Es ist ein klares Statement, da wir die neuen Vergütungsänderungen von Spotify gegenüber Musikschaffenden unfassbar schlimm finden“, lässt Daniel seinen Frust heraus. Die Auszahlungs-Modelle der meisten Streaming- Anbieter seien ohnehin schon unfair gegenüber den Musiker:innen. „Dann noch einen drauf zu setzen und willkürliche Schwellenwerte einzuführen, welche ein Song erreichen muss, um überhaubt Ausschüttungen abzuwerfen, geht gar nicht klar.“
Nicht verderben lassen sich die beiden dadurch aber die Freude an der Musik. „Für uns ist sie Kunst, Emotion, Kultur, Leidenschaft, Philosophie und Poesie“, fasst Alex das Gefühl in Worte und Daniel ergänzt: „Musik ist so vieles und kann so vieles sein. Sie ist einfach nicht mehr weg zu denken.“ Man wird also sicher noch mehr von den beiden hören. Und wer weiß? Vielleicht gehen sie den Weg, den das große Vorbild Chris Carabba mit Dashboard Confessional einst ging - und der führte geradewegs in die Stadien dieser Welt. Keep your fingers crossed!
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