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CIRCUS MAXIMUS

Wer hätte das gedacht? Im Sommer 2021 machte das „Neuland“-Festival seinem Namen noch alle Ehre, denn als Kulturevent waren zeitgenössische Artistik und Akrobatik für viele Oldenburger:innen noch ungewohnt. Das hat sich in der Folge deutlich geändert. Nach der zweiten Auflage im Folgejahr und dem „Winter-Varieté“ folgt nun der „Sommer-Circus“. Ist Oldenburg etwa zur heimlichen Hauptstadt moderner Circuskunst geworden?


Ungewohnte Perspektiven: Gegenwärtige Artistik ist ein spektakulärer Hingucker. (Bild: Neuland Festival)

Eigentlich ist alles beim Altem: Körperbeherrschung und -bewegung gehören zu den ältesten menschlichen Ausdrucksformen, Clowns gab es als Hofnarren bereits im Mittelalter und auch der Circus existiert seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Demnach könnten circensische Formate wie das Winter Varieté und der Sommer-Circus eigentlich sehr traditionell oder sogar antiquiert wirken - doch das Gegenteil ist der Fall.


Ob unter dem Hallendach oder freiem Himmel: Die Performances der Artist:innen, Jongleur:innen oder Clowns sind nicht nur spektakulär, sie wirken auch aktuell und zeitgemäß. Wer bei einer der genannten Veranstaltungen Gast war, hat schnell die Erfahrung gemacht, dass die präsentierten Künste zwar tief in der Vergangenheit wurzeln - dass ihre aktuellen Interpretationen aber die Sprache der Gegenwart sprechen.


 

NEULAND PRÄSENTIERT:


SOMMER-CIRCUS

MIT DEM COMMON GROUND KOLLEKTIV


8. JULI, 20. 30 UHR (TICKETS)

9. JULI, 15 UHR (TICKETS)


OLDENBURGER SCHLOSS

INNENHOF

26122 OLDENBURG

 

Weltklasse in Oldenburg


Nach zwei Veranstaltungen unter dem Namen „Neuland“ im charakteristischen Circuszelt und dem „Winter Varieté“ in der Kulturetage steht nun das vierte circensische Ereignis unter Regie des Vereins Kultur-Perspektiven auf dem Programm. Was setzt sich fort, was wird verändert, was ist gänzlich neu? Diese Fragen hat uns Lisa Rinne beantwortet. Sie kennt sich aus, denn die 35-jährige ist selbst eine „Weltklasse-Artistin“ (Circuszeitung) und war in Oldenburg schon mehrfach mit von der Partie,



 


Lisa, vor zwei Jahren fand mit „Neuland“ zum ersten Mal ein zeitgemäßes Artistik-Spektakel in Oldenburg statt - und schlug voll ein. Im letzten Jahr folgte dann das „Winter Varieté“, jetzt der „Sommer-Circus“. Wird Oldenburg heimlich zu einer Circushauptstadt?


Mit dem Verein Kultur-Perspektiven e.V. versuchen wir, zeitgemäßen Formen des Circus den ihnen gebührenden Platz in der Oldenburgischen Kulturlandschaft einzuräumen. Wir sind sehr froh, dass wir inzwischen im jährlichen Rhythmus sowohl eine Veranstaltungsreihe im Sommer, als auch im Winter organisieren können. Aus dieser Anzahl von Terminen den Anspruch einer „Circushauptstadt“ abzuleiten, wäre allerdings vermessen, da die Kunstform Circus gegenüber anderen Kulturangeboten immer noch unterrepräsentiert ist.



Drinnen wie draußen spektakulär: Die Performances des Common Ground Kollektivs (Bilder: Nicole Oestreich)


Wie erklärt ihr euch den Erfolg? Was ist an diesen eigentlich sehr traditionellen Formaten heutzutage attraktiv für das Publikum?


Grundsätzlich ist der Zugang zu Circus sehr niederschwellig. Er hat meist keine Sprachbarrieren, hat hohes Unterhaltungspotential und die Kunstform Circus verfügt in besonderem Maß über die Möglichkeit, Sinn über das körperliche Mitempfinden mit dem Publikum zu teilen. Das Verständnis entwickelt sich nicht primär auf der intellektuellen Ebene, sondern gleichsam über das „Bauchgefühl“. Darüber hinaus bemühen wir uns in Oldenburg sehr hochkarätige und international erfolgreiche Künstler*innen zu zeigen, die ein breites Publikum ansprechen. Das positive Feedback zeigt, dass die Zuschauer*innen diese Bemühungen zu schätzen wissen.



Wie unterscheiden sich die einzelnen Formate voneinander?


Die hauptsächliche Verbindung zwischen den beiden Veranstaltungsreihen (Sommer und Winter) ist das Organisationsteam und der Ehrgeiz, dem Publikum ein hochwertiges artistisches Programm zu bieten. Der „Neuland – Sommer Circus“ legt dabei den Fokus auf zeitgemäße, abendfüllende, konzeptionelle Circus-Stücke, die bewusst das vor allem in Deutschland immer noch beinahe unumgängliche Klischee: „Menschen, Tiere, Sensationen!“ nicht bedienen, sondern Artistik in ihrem vollen Potenzial als eigenständige Kunstform in seiner ganzen Vielfalt einem breitenPublikum präsentieren.


ZWEI SCHREIBWEISEN

CIRCUS ODER ZIRKUS?


Die Wiege des klassischen Circus war das industrialisierte England, als dessen Vater Philip Astley (1742-1814) gilt, der ab dem Jahr 1769 verschiedene Darbietungen kombinierte. Den Begriff Circus mochte er allerdings nicht und bekämpfte ihn sogar. Der Name setzte sich erst im 19. Jahrhundert durch, als diese Art der Veranstaltung auch in Frankreich stattfand (z.B. Cirque Olympique in Paris).


Heute benutzten die meisten Circus-Dynastien die Schreibweise „Circus“ wegen des lateinischen Ursprungs, zum Beispiel im Eigennamen „Circus Krone“. Das deutsche Wort Zirkus leitet sich vom griechischen kírkos oder lateinischen circus (‚Kreis‘) her. Beide Begriffe bezeichneten im antiken Griechenland und Rom eine kreis- oder ellipsenförmige Arena, in der in erster Linie Wagenrennen und seltener Tierkämpfe der Gladiatoren stattfanden (z. B. Circus Maximus). Mehr als die Form der „Bühne“ hat der neuzeitliche Zirkus mit dem antiken Circus nicht gemeinsam.


In diesem Artikel sind wir der Entscheidung des Vereins Kultur-Perspektiven gefolgt und verwenden die lateinische Schreibweise mit den beiden “C“.


Freiluftbühnen eignen sich neben Theatern oder multifunktionalen Kulturstätten gerade im Sommer als attraktive Spielstätten mit grundsätzlich sehr niederschwelligem Zugang für alle möglichen Zuschauer*innen. Im Gegensatz dazu stehen im Wintervarieté Nummernformate im Mittelpunkt, die man landläufig eher mit dem klassischen

Circus-Stereotyp assoziiert. In unserem Programm wollen wir zeigen, dass sich auch das Varieté nicht in tradierten Rollenbildern, altbackenem Humor und überholten Ästhetiken erschöpft, sondern durch frische Ansätze, aktuelle Sensibilität und künstlerische Virtuosität eine gewissermaßen zeitlose Form der anspruchsvollen Unterhaltung für Alt und Jung behaupten kann.



Beim Sommercircus tritt das Common Ground Kollektiv auf, von dem du selbst auch ein Teil bist. Warum sollte man das ansehen?


Der Sommer-Circus mit atemberaubender, internationaler Akrobatik wird im wunderschönen Ambiente des Schlossinnenhofes in Oldenburg stattfinden.

Diese zeitgenössische Circus-Show wurde extra für den Sommer-Circus in Oldenburg mit dem internationalen Cast von Common Ground entwickelt, um dem Schlossinnenhof Circusluft einzuhauchen.


KURZPORTRAIT

WER IST LISA RINNE?


Während ihres Studiums der Zirkuskünste an der „Academy of Circus and Performance Arts“ in Tilburg in den Niederlanden entdeckte Lisa ihre Leidenschaft für das Schwingende Trapez, das heute zu ihrem Lebensinhalt geworden ist. Nach intensiver Ausbildung erhielt sie im Juni 2011 ihren BA-Abschluss und verließ die Schule und die Niederlande mit ihrer Solonummer „Fallen“, mit der sie in bisher einzigartiger Art und Weise zwei Zirkusdisziplinen kombiniert: Schwingendes Trapez und die von ihr neu entwickelte akrobatische Strickleiter.


Arbeitsplatz mit Aussicht: Das Bild entstand im Juni 2023 im italienischen Bibione, 30 Meter vom Meer entfernt. (Bild: Lisa Rinne)

Mit diesem innovativen Act startete sie im Januar 2012 einen kleinen Siegeszug durch die internationalen Zirkusfestivals und gewann in der Folge neben einigen Spezialpreisen die Silbermedaille beim „Festival Mondial du Cirque de Demain“ in Paris, den Silbernen Elefanten beim Internationalen Zirkusfestival in Moskau, den Silbernen Löwen in Wuqiao sowie die Goldmedaille beim Europäischen Jugendzirkusfestival in Wiesbaden.


Neben dem Publikum zeigte sich auch die Fachpresse beeindruckt - nicht nur von der technischen und innovativen Qualität der Darbietungen, sondern auch von der Lebensfreude, die Lisa durch ihre Liebe für das Fliegen an ihr Publikum weitergibt. Der Zirkus bleibt durch seine künstlerische Vielfalt ein großes Abenteuer, stellt die Artistin fest und beteuert, dass sie sich den vielen, neuen Herausforderungen der Zukunft mit dem selben Enthusiasmus und der Leidenschaft stellen wird, die ihre Performances bisher auszeichneten.


Neben vielen Gastspielen und -auftritten ist Lisa Rinne aktuell u.a. im Circus Unartiq und dem Common Ground Kollektiv aktiv.


Es ist ein Stück, dem viel Optimismus zugrunde liegt: es berührt, verzaubert, regt an und überrascht, mit großen Bildern und intimen Momenten. Akrobatik vermischt sich mit Live–Musik. Wir öffnen eine Schatzkiste, die bis an den Rand gefüllt ist mit circensischen Preziosen mit Chinesischem Mast, Vertikal-Seil, Schwungtrapez, Partnerakrobatik und vielem mehr. In Gruppenszenen, Duos und Solo-Momenten entstehen humorvolle und bewegende Situationen, mit denen die 5 Akrobat*inen und 2 Musiker*innen das Publikum fesseln.


Ist der Sommercircus einmalig? Oder dürfen wir uns auf/über eine neue Sommer-Tradition freuen?


Das ist die dritte Sommer-Veranstaltung in Folge, die Kultur-Perspektiven organisieren kann. Damit haben wir aus einer „kölschen“ Perspektive ja bereits eine Tradition etabliert. Allerdings waren und sind auch in Zukunft alle Veranstaltungen nur mit der Unterstutrzung durch die Stadt, durch Kulturstiftungen und alle weiteren Geldgeber möglich. Nur diese großzügigen finanziellen Zuwendungen garantieren die gleichbleibend hohe Qualität der Veranstaltungen.


 

Geschichte trifft Gegenwart


Auch 250 Jahre nach seinem Entstehen weckt der Begriff Circus ganz unterschiedlich Assoziation und Reaktionen. Die einen spüren eine besondere Magie, der sie sich nicht entziehen können oder wollen. Den anderen ist das Phänomen Wanderzirkus eher fremd oder es entspricht nicht ihren Vorlieben der Freizeitgestaltung.


Unserer Rat an beide Gruppen ist derselbe: Lass euch auf den Sommer-Circus ein! Er hat genügend klassische Elemente, dass alle eingefleischten Circusfans voll auf ihre Kosten kommen. Anderseits hat er viele moderne Akzente und Elemente, so dass man ihn eigentlich kaum als Circus im engeren Sinne bezeichnen kann. Anders ausgedrückt: er vermischt die Geschichte mit der Gegenwart - und vereint das Beste von beidem. Das macht Oldenburg zwar nicht zur heimlichen Circus-Hauptstadt - das macht die Veranstaltung selbst aber tatsächlich zu einem Circus maximus.

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