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WAND AN WAND

  • kulturschnack
  • vor 20 Stunden
  • 6 Min. Lesezeit

Das Landesmuseum Kunst & Kultur und der Oldenburger Kunstverein scheinen auf den ersten Blick nicht viele Gemeinsamkeiten zu haben. Wäre da nicht die unmittelbare Nähe des okv-Gebäudes zum Augusteum, das wiederum zum Landesmuseum gehört. Die beiden Institutionen pflegen seit Jahrzehnten eine gute Nachbarschaft. Dieser Umstand gibt nun Anlass zur Ausstellung „Wand an Wand“ - und die offenbart ihren Besucher:innen deutlich mehr als nur eine räumliche Nähe.


Wand an Wand: Zwischen den Nachbarn okv und Augusteum gibt es keinen Streit, sondern große Harmonie. (Bild: Kulturschnack)
Wand an Wand: Zwischen den Nachbarn okv und Augusteum gibt es keinen Streit, sondern große Harmonie. (Bild: Kulturschnack)

Nachbarschaft hat ihre Tücken. Die große, nicht ohne weiteres zu verändernde Nähe kann durchaus Konfliktpotenzial mit sich bringen - nämlich dann, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Und die sind gar nicht so selten: Laut einer Forsa-Umfrage waren schon 46 Prozent der Deutschen in solche Auseinandersetzungen verwickelt. Und überraschenderweise ist der Norden besonders streitlustig: Hier waren es schon 54 Prozent.

 

Keiner solcher Fälle ist dagegen bekannt für die Nachbarschaft am Damm 2 und Elisabethstraße 1. Dort residieren „Wand an Wand“ das Augusteum des Landesmuseums Kunst & Kultur und der Oldenburger Kunstverein. Auch wenn die beiden Gebäude höchst unterschiedlich sind - hier der prunkvollen Palais von 1867, dort der Kubus aus den 1960ern - und auch die inhaltliche Ausrichtung variiert, haben wie beiden Institutionen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Einige davon zeigt nun eine kooperative Ausstellung.



 

LANDESMUSEUM KUNST & KULTUR

OLDENBURGER KUNSTVEREIN


WAND AN WAND


5 APRIL BIS 6. JULI 2025


DIENSTAG BIS SONNTAG

10 BIS 18 UHR


AUGUSTEUM

26135 OLDENBURG


 


Die Suche nach Gemeinsamkeiten


Wenn man die Kernmerkmale der beiden genannten Institutionen so grob wie es nur geht beschreiben sollte, dann würde man für den Kunstverein wahrscheinlich das Wort „modern“ wählen. Er zeigt regelmäßig höchst ambitionierte Ausstellungen von vorwiegend jungen Künstler:innen, die gerade auf dem Sprung nach oben stehen. Nicht selten entwickelt sich nach ihrem Besuch in Oldenburg eine spannende Kunstkarriere. Die Gastspiele sorgen für hochwertige und erfrischende Impulse; sie mögen im Einzelfall nicht intuitiv zugänglich oder verständlich sein, doch für unseren Verstand bedeuten sie höchst interessante Begegnungen.


Stimmungsvoll: Die Ausstellung wirkt in ihrer Darstellung eher nüchtern, erlaubt auf diese Weise aber ein sehr intimes Kunsterlebnis. (Bild: Kulturschnack)
Stimmungsvoll: Die Ausstellung wirkt in ihrer Darstellung eher nüchtern, erlaubt auf diese Weise aber ein sehr intimes Kunsterlebnis. (Bild: Kulturschnack)

Bliebe man bei der - selbstverständlich völlig unzureichenden - Reduktion der Beschreibungen auf ein einziges Wort, dann lautete dies beim Augusteum vielleicht „traditionell“ oder auch „klassisch“. Hier werden im Erdgeschoss die „Alten Meister“ gezeigt, die Werke stammen aus früheren Jahrhunderten. Die Wechselausstellungen im Obergeschoss bieten zwar durchaus auch zeitgemäße Akzente, doch das Image des Hauses unterscheidet sich letztlich deutlich von jenem des Kunstvereins. Und die Frage ist: Was eint die beiden - abgesehen von der geographischen Lage?



Eine wechselhafte Geschichte


Die kurze Antwort lautet: Mehr als man denkt. Denn die genannten Kurzcharakterisierungen beschränken sich auf die Gegenwart, sind also die Momentaufnahmen des Augenblicks. Öffnet man den Blick ein wenig in Richtung Geschichte, verändern sich beide: Der Kunstverein genauso wie das Augusteum. Und dabei entstehen Überschneidungen und Vermischungen. Diese Erkenntnis ist eine, die man in der aktuellen Ausstellung „Wand an Wand“ macht. Und wer sich für eine der öffentlichen Führungen entscheidet, erhält noch viele weitere. Denn die gemeinsame Geschichte der beiden Institutionen ist wechselhafter als man zunächst vermuten könnte.



Gute Nachbarschaft: Der Oldenburger Kunstverein (links) und das Auguste (rechts) haben ihre Unterschiede - aber auch Gemeinsamkeiten. (Bild: Kulturschnack)
Gute Nachbarschaft: Der Oldenburger Kunstverein (links) und das Auguste (rechts) haben ihre Unterschiede - aber auch Gemeinsamkeiten. (Bild: Kulturschnack)

Überraschend für viele dürfte sein, dass der Kunstverein zwar das jüngere Gebäude besitzt, aber älter ist als das Landesmuseum. Seine Gründung fand bereits im Jahre 1843 statt, das Augusteum steht erst seit 1867 an seinem Ort. Damals nahm es die bedeutende Kunstsammlung des Großherzogs auf und machte sie der Öffentlichkeit zugänglich. Der Kunstverein wurde Gast in diesem Hause, denn er durfte es fortan als regelmäßige Ausstellungsfläche nutzen.



ÜBERRASCHENDE VERBINDUNG DER DOPPELTE THORVALDSEN

Bartel Thorvaldsen im Treppenhaus des Augusteum. (Bild: Kulturschnack)
Bartel Thorvaldsen im Treppenhaus des Augusteum. (Bild: Kulturschnack)

Manchmal drängen sich Gemeinsamkeiten zwischen zwei Institutionen geradezu auf. In anderen Fällen aber verstecken sie sich geradezu und wollen erst entdeckt werden. So ist es auch bei einer Parallele zwischen Augusteum und okv. Wer das Treppenhaus des Augusteum emporschreitet, passiert eine illustre Reihe von Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur. Die opulenten Wand- und Deckenmalereien zeigen ganz unterschiedliche Meister, denen man sich zum Zeitpunkt der Entstehung Mitte des 19. Jahrhunderts verbunden gefühlt hat - wie etwa Dürer, Rembrandt oder da Vinci. Zu ihnen gehörte aber auch der bedeutende dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen, der von 1770 bis 1844 vorwiegend in Kopenhagen lebte und arbeitete. Er zierte die äußerste rechte Ecke des Kunstwerks und blickt auf uns Betrachter:innen herab.


Das Relief des Bartel Thorvaldsen. (Bild: Kulturschnack)
Das Relief des Bartel Thorvaldsen. (Bild: Kulturschnack)

Werke dieses berühmten Vertreters seiner Zunft stehen natürlich nicht in jedem Wohnzimmer herum und auch die Museen dieser Welt schätzen sich glücklich, wenn sie eines zeigen dürfen. So besitzt auch der Oldenburger Kunstverein zwar kein Thorvaldsen im Original - aber immerhin eine sehenswerte Replik eines Reliefs. Jenes ist nun in der Ausstellung „Wand an Wand“ zu sehen und macht die erstaunliche Kunstfertigkeit des großen Meisters spürbar, dem man einige Schritte zuvor noch im Treppenhaus begegnete.

Es ist auf eigentümliche Weise faszinierend, dass diese beiden vermeintlich so unterschiedlichen Institutionen wie Augusteum und okv diesen Verknüpfungspunkt haben. Thorvaldsen wurde gleichermaßen geschätzt und ihm wurde auf unterschiedliche Weise gehuldigt. All das mag zwar eine Fußnote sein - aber eine, die zeigt, wie nah einander man sich nicht nur geografisch war, sondern auch in fachlicher Hinsicht.



Alles veränderte sich an einem großen Wendepunkt der Geschichte. Noch während ab 1911 Planungen für eine spektakuläre Erweiterung des Augusteums liefen - deren Entwürfe ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind - brach der Erste Weltkrieg über Europa herein. An dessen Ende sollte die Abdankung des Großherzogs im Jahre 1919 stehen und damit auch das Ende großherzoglicher Kunstsammlungen und schwärmerischer Erweiterungsträume.


Blick fürs Detail: Beim Presserundgang stießen die Werke auf großes Interesse der Anwesenden. (Bild: Kulturschnack)
Blick fürs Detail: Beim Presserundgang stießen die Werke auf großes Interesse der Anwesenden. (Bild: Kulturschnack)

Das Augusteum durchlief fortan wechselhafte Nutzungen, diente unter anderem als Fernmeldeamt. Erst in den 1970er Jahren wurde es vom Land Niedersachsen als Ausstellungshaus wiederentdeckt - nachdem kurz zuvor der Oldenburger Kunstverein direkt nebenan erstmals eine eigene Heimat erhielt. Damals entstand also einerseits ein neuer Nukleus der Kunst in Oldenburg, andererseits aber auch erstmals eine strukturelle Trennung der beiden Institutionen.



Kunst als Kind der Zeit


Jene ist jetzt aufgehoben - zumindest für die Dauer einer Ausstellung. „Wand an Wand“ ist letztlich ein Gastspiel des Kunstvereins im Augusteum. Das heißt: Es finden keine größeren Vermischungen aus den Beständen statt, das Material aus den Archiven des okv steht größtenteils für sich selbst. Dabei aber offenbart es einen neuer Blick auf die traditionsreiche Institution. Denn das eingangs erwähnt Wort „modern“ trifft natürlich nicht auf die Werke aus früheren Zeiten zu, zumindest nicht in unserer heutigen Interpretation des Begriffs. Die ausgestellten Werke würde man vielfach eher dem Landesmuseum zuordnen, schließlich sind sie im Laufe der Jahre gealtert, wirken also klassisch oder traditionell.




Enorme Bandbreite: Der Rundgang führte nicht nur durch drei Jahrhunderte, sondern auch durch verschieden Epochen und Stile - hier „Landschaft mit Haus“ von Paul Müller-Kaempff (1893) und „Ohne Titel #1“ von Grace Weaver (2019). (Bilder: Landesmuseum Kunst & Kultur)


Davon aber sollte man sich nicht täuschen lassen. Denn was heute Teil der Geschichte ist, war früher Teil der Gegenwart. Die Kunstwerke mögen inzwischen zum Teil antiquiert wirken, waren zum Zeitpunkt ihrer Entstehung aber vielfach das, was wir heute gemeinhin mit dem Kunstverein assoziieren: modern. Und genau diese gedankliche Verschiebung ist ein Reiz bzw. eine Qualität der Ausstellung. Sie eröffnet einen neuen Blick auf die Institution - aber auch auf die Kunst selbst. Eine Lehre: Auch Kunstwerke sind Kinder ihrer Zeit. Deshalb flaniert man auch an großen Unterschieden vorbei - zunächst etwa an detailreichen Landschaftsmalereien, später dann an farbstarken Gegenwartsbetrachtungen. Eine größere Bandbreite ist kaum vorstellbar.


Spannend ist aber auch eine Nebenschauplatz der Ausstellung, etwas versteckt in einem separaten Raum am Ende des Rundgangs. Hier wird die gemeinsame Geschichte der beiden Häuser dargestellt und reich illustriert. An dieser Stelle erschließt sich manches gewissermaßen im Nachhinein, weil gerade das Wirken des Kunstvereins - und seine Historie - noch etwas klarer wird. Kleiner Tipp von uns: Wer sich mit den Institutionen noch nicht so gut auskennt, möge hier beginnen. Derat mit Wissen aufgeladen lassen sich die Kunstwerke selbst anschließend besser einordnen.



Spannend: Der Blick in die Geschichte ermöglicht ein besseres Verständnis der beteiligten Institutionen und deren Verbindungen. (Bild: Kulturschnack)
Spannend: Der Blick in die Geschichte ermöglicht ein besseres Verständnis der beteiligten Institutionen und deren Verbindungen. (Bild: Kulturschnack)

Spannender Einblick


Die Ausstellung „Wand an Wand“ unterscheidet sich durchaus von anderen, die im Obergeschoss des Landesmuseums zu sehen waren. Hier gibt es keine klar ausdefinierte kunsthistorische Facette, die genauestens unter die Lupe genommen wird. Ebenso wenig begegenen wir Superstars der Kunst, die als Teil einer Sammlung erstmals in Oldenburg zu sehen sind. Doch das ist keineswegs ein Nachteil. Denn stattdessen erleben wir einen tiefen Blick in die Oldenburger Geschichte. Genauer gesagt: In das Schaffen eines ehrwürdigen Kunstvereins, dem es gelungen ist, seine Bedeutung in der Gegenwert zu erhalten - und sogar noch zu erhöhen. Das ist zweifellos einen Rundgang wert!



Guter Nachbarn: Räumliche Nähe kann ein bloßer Zufall sein - aber auch ein Resultat der Geschichte mit Potenzial für die Gegenwart. (Bild: Kulturschnack)
Guter Nachbarn: Räumliche Nähe kann ein bloßer Zufall sein - aber auch ein Resultat der Geschichte mit Potenzial für die Gegenwart. (Bild: Kulturschnack)

Nebenbei - und das ist keineswegs geringzuschätzen - geht es aber auch um gute Nachbarschaft und gelungene Zusammenarbeit. Es ist eine Qualität der Ausstellung, dass die beiden beteiligten Institutionen ein glaubhaftes Interesse an einem regen Austausch haben - so unterschiedlich sie auf den ersten Blick auch sein mögen. Doch wie gesagt: Beim genaueren Hinsehen offenbaren sich Überschneidungen und Vermischungen. Sie sind ein Grund dafür, dass die Ausstellung - trotz eher nüchterner Präsentation - sehenswert ist. Und sie bilden auch die Basis für den Umstand, der all das letztlich ermöglicht hat: Die gute Nachbarschaft - Wand an Wand.


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