top of page

KOLUMNE: DER WOW!-FAKTOR

Seit Mitte 2020 schreibt Kulturschnacker Thorsten eine monatliche Kolumne für die wunderbare Theaterzeitung des Oldenburgischen Staatstheaters. Digital findet ihr sie zum Nachblättern unter www.staatstheater.de. Oder: hier.


Szene  aus „Macbeth“, das im Oldenburgischen Staatstheater in Oldenburg zu sehen ist.
Frohes Neues: Hoffentlich beginnt jetzt keine Saure-Gurken-Zeit. Die beste Vorbeugung: Theaterstücke wie „Macbeth“ anschauen und den Wow!-Faktor genießen. (Bild: Stephan Walzl)

Meine Mutter löst gern Kreuzworträtsel. Ob Zufall oder nicht, kürzlich sah ich bei einem flüchtigen Blick auf eines ihrer Hefte folgende Frage: „Ausdruck des Erstaunens mit drei Buchstaben“. Die Antwort war klar, noch bevor ich den kurzen Text zu Ende gelesen hatte. Diese drei Buchstaben sind nämlich meine ständigen Begleiter, wenn ich auf die Oldenburger Kulturszene schaue: WOW!

 

Und auch jetzt, während ich diesen Text schreibe, formt sich so ein Ausdruck des Erstaunens in meinem Kopf. Denn ich habe darüber nachgedacht, wie viele Jahreswechsel ich in dieser Kolumne schon gefeiert habe – und es ist tatsächlich bereits der fünfte! Und an dieser Stelle teilen sich meine Gedanken in zwei Hälften: Die eine freut sich darüber, dass ich mich an dieser Stelle weiterhin einmal pro Monat gedanklich austoben darf. Und die andere? Die fürchtet sich davor, Sie alle zu langweilen. Denn was soll man zu einem Jahresanfang noch schreiben, wenn man es schon fünf Mal getan hat? Ist nicht schon alles gesagt?

 


Langeweile? Keine Chance!

 

Zum Glück nicht. Erstaunlicherweise lautet dasjenige Wort, das meine Haltung zur Oldenburger Kultur am besten zusammenfasst, auch nach fünf Jahren noch: WOW! Das ist auch für mich ein wenig überraschend. Man würde ja vermuten, dass sich die anfängliche Begeisterung allmählich abnutzt. Aber: Das tut sie nicht. Und das liegt daran, dass die Oldenburger Kultur Jahr für Jahr neue Perlen liefert – wie „Prima Facie“ im Staatstheater, Graffitikunst unter Brücken, Leoniden in der Umbaubar, Techno im Alten Klärwerk oder Tuan Andrew Nguyen im Edith-Russ-Haus.


Die Seite mit der Kolumne aus der Theaterzeitung des Oldenburgischen Staatstheaters.
Geliebte Routine: Seit über fünf Jahren hat Thorsten sein Plätzchen in der Theaterzeitung. (Bild: Oldb. Staatstheater)

Diese völlig willkürlichen Beispiele aus dem letzten Jahr zeigen, wie spannend, überraschend, abwechslungsreich die Oldenburger Szene ist. Und derzeit spricht nichts dafür, dass sich daran etwas ändern könnte.


Diese Vielfalt hat dazu geführt, dass ich auch nach fünf Jahren nicht etwa mit einer abgeklärten „Seen it all“-Attitüde auf die Szene blicke, sondern weiterhin mit kindlicher Neugier und unschuldiger Faszination. Und nun beginnt ein neues, prallgefülltes Kulturjahr! Ich bin schon wieder unglaublich neugierig und voller Vorfreude auf all die winzig kleinen und riesengroßen Kulturmomente, die in den nächsten zwölf Monaten auf uns zukommen. Und ich bin ganz sicher, dass ich dabei sehr oft einen Ausdruck des Erstaunens mit drei Buchstaben im Kopf haben werde: WOW!

 


Experiment und Abenteuer

 

Und Sie? Was ist mit Ihnen? Geht es Ihnen ähnlich? Falls ja: Wunderbar. Dann sehen wir uns sicher hier oder da und können gemeinsam genießen, was auf Oldenburger Bühnen passiert. Und falls nein: Schade – aber das lässt sich ändern. Denn wie gesagt: Das neue Jahr hat begonnen. Und zu der Liste an guten Vorsätzen kann man auch folgenden ergänzen: Offen sein! Lassen Sie öfter das neugierige Kind in Ihnen das Kommando übernehmen, wagen Sie Experimente und Abenteuer. All ihr Jungen und Wilden, schaut euch eine Oper oder Niederdeutsches Theater an. All ihr Älteren und Erfahrenen, traut euch ins Rockkonzert oder ins verrückte Probierformat! Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, seine Leidenschaften zu intensivieren oder etwas Neues auszuprobieren, als genau jetzt!

 

Das kommt Ihnen bekannt vor? Ja, womöglich habe ich etwas ähnliches in den letzten sechzig Monaten schon einmal erwähnt. Vielleicht sogar in einer Neujahrskolumne. Sollte es so sein, deuten Sie die Wiederholung bitte als Stilmittel der Betonung. Mir ist wichtig, dass wir nicht in unseren Bubbles verharren, nicht nur auf den üblichen Bahnen unterwegs sind. Wir sollten mit offenen Sinnen durchs Leben gehen, interessiert und aufgeschlossen, wertschätzend und positiv. Dann begegnen uns WOW!-Effekte nicht nur in Kreuzworträtseln, sondern auch in der Realität. Und dort wirken sie am stärksten.

 

PS: Danke, liebe Mama und lieber Papa, für diese und viele weitere Inspirationen! Ihr seid die besten!

Comments


bottom of page