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KOLUMNE: IN CHANCEN DENKEN

Seit Mitte 2020 schreibt Kulturschnacker Thorsten eine monatliche Kolumne für die wunderbare Spielzeitung des Oldenburgischen Staatstheaters. Digital findet ihr sie zum Nachblättern unter www.staatstheater.de. Oder: hier.


Titelbild der aktuellen Ausgabe der Spielzeitung des Staatstheaters Oldenburg
Anmut und Stärke, Licht und Dunkel: Kontraste erzeugen starke Wirkungen. (Foto: Stephan Walzl)

Manchmal ist man regelrecht neidisch. Klar, das sollte man nicht sein, aber hin und wieder ist man es eben doch. Vor allem dann, wenn man andere Menschen dabei beobachtet, wie sie etwas mit Leichtigkeit und Lockerheit hinbekommen, was man selber gern können würde, das einem aber einfach nicht gelingen will. Viele von uns kennen dieses Gefühl aus südlichen Urlaubsländern, wo alles viel entspannter abzulaufen scheint als hier. Am liebsten würde man Ars vivendi oder Laissez Faire einpacken und mit nach Deutschland nehmen. Schließlich gehen wir hierzulande hingebungsvoll vom Worst Case aus und tun alles Nötige und Unnötige, um ihn zu vermeiden. Diese vorsichtige Haltung hat negative Folgen:


Das ständige Rechnen mit dem Schlimmsten erstickt unschuldige Vorfreude schon im Keim.


Mit Optimismus in den Winter


Warum ich an dieser Stelle darüber philosophiere? Ganz einfach: In der Kultur passieren derzeit einige Dinge, die rein theoretisch nicht so gut oder ganz wunderbar ausgehen können – und ich plädiere dafür, einfach mal beherzt mit letzterem zu rechnen und in Chancen zu denken, nicht in Risiken. Egal, ob es um die Neuauflage der städtischen Förderrichtlinien für die Oldenburger Kulturinstitutionen geht, um die anstehende Sanierung der Alten Maschinenhalle am Pferdemarkt oder um die Rechtsvorschriften für Nutzungsänderungen von Gebäuden und Flächen für kulturelle Zwecke: Trotz verständlicher Vorbehalte können wir uns auf alle Ergebnisse vorfreuen. Bei den Richtlinien zum Beispiel auf Planungssicherheit für die Akteure und fachliche Expertise durch einen externen Beirat. Bei der Halle auf einen ganzjährig nutzbaren, weiterhin charakterstarken Kulturort. Bei den Nutzungsänderungen auf viele spannende Formate, die alle rechtlichen Anforderungen erfüllen und deswegen sicher sind.


Es spricht nichts dagegen, in diesen Fällen von positiven Ergebnissen auszugehen – also tun wir’s doch einfach!

Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum mir das Thema Optimismus gerade am Herzen liegt. Der November beginnt – und mit ihm die dunkle Jahreszeit. Ich mache keinen Hehl daraus, ich bin eher ein Sommertyp. Insofern hätte ich durchaus Grund, mit sorgenvoller Miene auf die kommenden Monate zu blicken. Aber auch hier sollte man – bzw. ich – das Positive sehen. Denn wenn es draußen dunkel und unwirtlich ist, findet man Licht und Wärme – auch fürs Herz - in den Hallen, Sälen und Clubs. Ich muss dabei immer wieder an Leo Lionnis „Frederick“ denken: die Geschichte der Maus, die als einzige scheinbar keine Vorräte für den Winter sammelt, die mit ihren Geschichten aber später die Herzen seiner Kamerad:innen erwärmt und damit letztlich eben doch – und zwar ganz wesentlich – zum Überstehen der kalten Jahreszeit beiträgt.



Keine Vergleiche scheuen


Von diesen „Fredericks“ gibt es in Oldenburg zum Glück sehr viele. Deswegen können wir zwar auf die Lockerheit von anderen neidisch sein, aber in Sachen Kulturszene wäre dieses Gefühl absolut unangebracht. Natürlich gibt es in den großen Metropolen noch ganz andere Kaliber und Qualitäten, über die man nur staunen kann. Bei vergleichbaren Städten komme ich meist aber zu der wohltuenden Erkenntnis, dass Oldenburgs Kulturlandschaft keinen Vergleich zu scheuen braucht und dass man mit – und dank - ihr die kalten Monate schon irgendwie überstehen wird.


Niemand ist gerne neidisch. Aber manchmal ist das unangenehme Gefühl okay – um Lehren daraus zu ziehen.

Wenn es dazu beiträgt, optimistischer zu werden? Dann ist nichts verkehrt daran. Lasst uns Lebenskunst und Leichtigkeit gerne importieren oder kultivieren und sie mit unseren vorhandenen Qualitäten kombinieren. Dann können wir optimistisch in den Winter gehen – in dem eben nicht nur Risiken lauern, sondern auch Chancen warten.

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