top of page

STAATSAKT #4: MACBETH

Das Oldenburgische Staatstheater ist das Flaggschiff der Oldenburger Kulturlandschaft. Sein Output allein würde unsere Stadt schon zu einer Theatermetropole machen. Um halbwegs den Überblick zu behalten, gibt es nun den Kulturschnack Staatsakt. Hier treffen wir uns mit den Akteur:innen und sprechen mit ihnen über Premieren, Projekte, Persönliches. Das ist Theater - im Rampenlicht und hinter den Kulissen!


Die Säulen des Oldenburgischen Staatstheaters in Oldenburg, Schauplatz des Kulturschnack Staatsakt
Vierhundert Jahre alt, trotzdem hochaktuell: „Macbeth“ von William Shakespeare hat keinerlei Patina angesetzt . (Bild: Stephan Walzl)

Es gibt Theaterstoffe, deren Titel jede:r schon mal gehört hat - vollkommen unabhängig davon, wie stark die Passion für die Bühne ist. Erstaunlich viele von ihnen stammen von einer einzigen Person. Ob „Romeo & Julia“, „Hamlet“ oder „Der Sommernachtstraum“ - sie alle wurden geschrieben vom Engländer William Shakespeare (1564-1616). Man tritt niemanden anderem zu nahe, wenn man ihn als den Theaterdichter schlechthin beschreibt.


Zumal wir bei dieser Aufzählung ein weiteres Werk ausgelassen haben, dessen Titel jede:r kennt: „Macbeth“. Die Tragödie um den schottischen Adelsmann und Königsmörder stammt zwar aus dem frühen 17. Jahrhundert, ihre herausragende Qualität ist aber ihre Zeitlosigkeit. Die Kombination aus Machtgier, Intrigen und Wahnsinn wirkt in der Gegenwart ebenso stark wie in der Vergangenheit. Aber wie erfindet man ein tausendfach gespieltes Stück heute noch einmal neu? Und kann eine Tragödie auch mal Witz vertragen? Das alles und noch mehr hat uns die 30-jährige Dramaturgin Elisabeth Kerschbaumer verraten. Ihre Antworten lest ihr hier - im Kulturschnack Staatsakt Nr. 4.


 

OLDENBURGISCHES STAATSTHEATER


MACBETH

TRAGÖDIE VON WILLIAM SHAKESPEARE


MI 18. DEZEMBER, 20 UHR (TICKETS) SO 22. DEZEMBER, 15.30 UHR (TICKETS) SO 29. DEZEMBER, 18.30 UHR (TICKETS)

SO 5. JANUAR, 18.30 UHR (TICKETS) FR 10. JANUAR, 20 UHR (TICKETS)

SA, 11. JANUAR, 20 UHR (TICKETS)

MI 15. JANUAR, 20 UHR (TICKETS) SA 18. JANUAR, 20 UHR (TICKETS)

DO 23. JANUAR, 20 UHR (TICKETS)

SA 25. JANUAR, 20 UHR (TICKETS)

DI 4. FEBRUAR, 20 UHR (TICKETS)


30 MINUTEN VOR DEM JEWEILIGEN BEGINN DER VORSTELLUNGEN GIBT ES EINE KURZE STÜCKEINFÜHRUNG IM GLASHAUS


KLEINES HAUS

26122 OLDENBURG


 


V I E R T E R S T A A T S A K T


E R S T E R A U F T R I T T


Ein kleines Foyer am Vormittag, im Haupthaus zur Roonstraße hinaus gelegen. Durch die bodentiefen Fenster fällt die strahlende Dezembersonne in den Raum und erzeugt ein lebhaftes Schattenspiel. Zwei Kultur-Redakteure bauen testen Perspektiven und Lichtverhältnisse. Die Gesprächspartnerin beantwortet auf ihrem Smartphone noch schnell die dringendsten Nachrichten - eine große Premiere steht kurz bevor.


Portrait von Nora Hecker, Dramaturgin von WALD am Oldenburgischen Staatstheater in Oldenburg
Stressresistent: Elisabeth hat sich kurz vor der Premiere von „Macbeth“ Zeit für unser Gespräch genommen. (Bild: Kulturschnack)

THORSTEN Ihr seid gerade mitten in den Endproben, richtig? Sehr cool, dass du dir trotzdem die Zeit genommen hast!


ELISABETH Ja, es ist ein bisschen was los gerade. (lacht) Aber ich mach das total gerne!


KEVIN Kann losgehen, Kamera läuft!


THORSTEN Okay, let's go!



(Elisabeth und Thorsten setzen sich auf zwei Stühle an einem der großen Fenster. Unten sieht man den Verkehr über den Theaterwall rollen. An den Kameras werden die Aufnahmen gestartet. Das Gespräch beginnt)



THORSTEN  „Macbeth“ gehört zu den absoluten Klassikern der Literatur und des Theaters. Jede:r hat davon schon mal gehört, viele kennen es auch aus der Schule. Wann bist du dem Stück denn zum ersten Mal begegnet?



ELISABETH  Das war im Studium. Ich habe in Innsbruck Vergleichende Literaturwissenschaft studiert und hatte da immer elendslange Leselisten. Und dort tauchte dann tatsächlich auch „Macbeth“ auf. Ich musste es lesen, um im Kurs darüber sprechen zu können.


THORSTEN  Den Titel kennen die meisten, aber worum genau es in „Macbeth“ geht, können viele wahrscheinlich gar nicht so genau beantworten. Oder Kevin?


KEVIN (aus dem Hintergrund) Nee!


THORSTEN  Hab ich mir gedacht. Also, Elisabeth, kannst du das in wenigen Worten zusammenfassen?


ELISABETH Ich versuch's. (lacht) Es geht um einen Kriegsherrn namens Macbeth, der aus dem Krieg zurückkommt und dann mysteriösen Schicksalswesen begegnet. Und die prophezeien ihm, dass er König werden wird. Getrieben von Machtlust kommt er nach Hause, erzählt das auch seiner Frau, und die beiden beschließen dann tatsächlich, den König zu töten, um dieses Schicksal so ein bisschen zu befeuern und schneller an den Thron zu kommen.


Allerdings hat dieser Mord große Folgen für die innere Psychologie der Charaktere. Wir können im Laufe des Stückes zwei Figuren - und vor allem eben Macbeth - dabei zusehen, wie sie eine Art von Verfall durchlaufen.

Szene aus dem Schauspiel „WALD“ von Miriam Lesch am Oldenburgischen Staatstheater in Oldenburg
Farbgewaltig: Die „Macbeth“-Inszenierung von Regisseur Malte Kreutzfeld geizt nicht mit starken visuellen Reizen. (Bild: Stephan Walzl)

THORSTEN  In dem Stück gibt es das volle Programm an Macht, Gier, Wahnsinn, Tod. Das kommt mir ein bisschen bekannt vor. Ist „Macbeth“ eine Art Vorbild für Serien wie „House of Cards“ und „Game of Thrones?“


ELISABETH  Auf jeden Fall! Das Stück hat im Laufe der letzten vierhundert Jahre kulturgeschichtlich wahnsinnig viel beeinflusst. Es ist spannend, immer wieder zu gucken, wo die Motive aus „Macbeth“ heute wieder auftauchen. Leider muss man auch sagen, dass das nicht auf die Kultur beschränkt ist. Wir sehen im realen Leben viele Entwicklungen, die auch in „Macbeth“ aufgegriffen werden.





THORSTEN Manches hat mich auch an die Ampelkoalition erinnert. Ich kann mir so einen „Maclindner“ gut vorstellen. Ist das Stück politisch?


ELISABETH Unbedingt! Es ist eines der politischsten Stücke, die Shakespeare geschrieben hat. Wenn man sich genauer damit beschäftigt, wird man ständig an das erinnert, was auch heute auf der politischen Bühne passiert. Deswegen ist „Macbeth“ auch ganz bewusst auf dem Spielplan gesetzt worden, damit man diese Verknüpfung mit der Gegenwart hat. Und das löst sich total ein. Es ist sehr spannend, diese Parallelen zur Gegenwart ziehen zu können.


THORSTEN Wie sind eigentlich die Reaktionen im Ensemble auf so einen Klassiker? Hört man dann eher „Oh, nicht schon wieder“ oder „Das wollte ich schon immer mal!“?

ELISABETH Eher letzteres. Die Freude ist schon sehr groß. Was man hier aber dazu sagen muss: Es gibt einen Aberglauben, der sich um dieses Stück rankt. Und zwar, dass es Unglück bringt, wenn man es auf den Spielplan setzt. Schon das laute Aussprechen des Titels soll Unglück bringen. Wir haben es trotzdem auf dem Spielplan - und natürlich kommen wir nicht drum herum, auch den Stücktitel hin und wieder zu nennen. Aber die Reaktionen darauf sind tatsächlich sehr lustig. Man spielt ein bisschen mit diesem Aberglauben und kann sich darüber auch verständigen. Das macht eigentlich großen Spaß.


Elisabeth Kerschbaumer und Thorsten lange im Gespräch über „Macbeth“, das am Oldenburgischen Staatstheater in Oldenburg gezeigt wird.
Entspannter Talk: Elisabeth konnte den Reiz einer „Macbeth“-Inszenierung auch vierhundert Jahre nach der Entstehung gut erklären. (Bild: Kulturschnack)

THORSTEN In den letzten vierhundert Jahren ist das Stück ja schon „ein paar Mal“ aufgeführt worden. Versucht man trotzdem, bei Regie und Dramaturgie noch einen neuen Ansatz zu finden? Oder geht das gar nicht?


ELISABETH Ich glaube, es geht gar nicht so sehr um Abgrenzung. Tatsächlich war es Regisseur Malte Kreutzfeldt wichtig zu betonen, dass wir nicht alles neu erfinden. Aber; Natürlich arbeitet man immer aus der Zeit heraus. Natürlich wird man in der Konzeption beeinflusst von den Dingen, die in der Realität weltpolitisch stattfinden. Und das ändert sich selbstverständlich auch über die Jahre.


Uns war es wichtig, einen Ansatz zu finden, der einerseits die Geschichte richtig erzählt, also wie Shakespeare sie geschrieben hat, der aber trotzdem lesbar macht, was man für das Heute mitnehmen kann.

STARKES THEATERPROGRAMM DIE GROßE VIELFALT Mit dem KULTURSCHNACK STAATSAKT starten wir ein regelmäßiges Interview-Format mit dem Oldenburgischen Staatstheater. Ihr fragt euch, warum wir das tun? Nun: Dafür gibt es genau 164 Gründe.

Das Spielzeit-Heft des Oldenburgischen Staatstheaters in Oldenburg

Das ist nämlich die Zahl der Seiten des aktuellen Spielzeitheftes des Oldenburgischen Staatstheaters. Es ist prall gefüllt mit dem äußerst facetten- und variantenreichen Programm der insgesamt sieben Sparten. So gibt es in der kommenden Spielzeit 4 Uraufführungen und 32 Premieren, dazu 7 Wiederaufnahmen und unzählige weitere Attraktionen. Und selbst das ist noch nicht alles. Zwischen und außerhalb von Oper, Schauspiel oder Konzert finden viele weitere Projekte statt. Das Staatstheater schreibt weiter an seiner eigenen Geschichte - und damit auch jener der Stadt. Angesichts dieser Opulenz haben wir uns dazu entschieden, dem Staatstheater regeläßig einen Besuch abzustatten. Gemeinsam suchen wir nach spannenden Gästen, Themen und Geschichten für den KULTURSCHNACK STAATSAKT. Was ihr davon habt? Einen spannenden Einblick in die Theaterwelt und mehr Informationen darüber, was die Menschen dort bewegt.


THORSTEN Gibt es denn irgendwas, von dem du sagst: „Das sieht man woanders eher nicht, das ist etwas ganz Besonderes“?


ELISABETH Wir spielen mit vielen Elementen. Wir nutzen den kompletten Bühnenraum und die Bühne ragt sogar ein bisschen in den Zuschauerraum hinein. Man ist also sehr nah dran, eben weil es weltpolitisch so brisant ist gerade. Zudem ist die Bühne doppelt beschichtet und eine dieser Beschichtungen löst sich mit der Zeit.


Wir haben Wasser im Spiel, wir haben aber auch die Bühnentiefe genutzt. Das heißt, wir spielen auch mit Höhenunterschieden, konzentriert gefasst in eine tolle Lichtsituation. Die Kostüme verändern sich. Das Maskenbild ist ganz besonders, weil wir viel mit einem weißen Heilerdegemisch spielen. Es kommen sehr viele Sachen zusammen und dadurch entsteht an sehr vielen Stellen ein großer und bildstarker Theaterzauber.“


Effektvoll: Bei „Macbeth“ stehen nicht nur die Schauspieler:innen, sondern auch Maske, Kostüme und Bühne im Mittelpunkt. (Bilder: Stephan Walzl)


THORSTEN Hättest du eine Vermutung: Was würde Shakespeare an eurer Inszenierung am besten finden? Und wo hätte er die Stirn gerunzelt?


ELISABETH Befremdlich wäre für Shakespeare bestimmt, dass wir alles im Dunkeln spielen. Zu Shakespeares Zeiten fand in seinem Globe Theater alles bei Tageslicht statt. Man durfte dort keine Kerzen anzünden, weil sonst das ganze Theater abgebrannt wäre. Im Text ist es interessanterweise übrigens so, dass dort immer die Nacht angerufen werden muss. Es kommt ganz oft der Satz „Oh, komme Nacht“, weil die Leute es damals gewohnt waren, dass es immer taghell war. Sonst hätten sie nichts gesehen. Und deswegen musste man im Text erst sagen, dass es jetzt Nacht wird.


Aber ich kann mir vorstellen, dass Shakespeare vielleicht an der einen oder anderen Stelle, die wir inhaltlich gut durchdacht haben, mitgehen oder vielleicht sogar d'accord gehen würde mit unseren Ideen.


Erzähltalent: Dramaturgin Elisabeth Kerschbaumer spricht kenntnisreich, unterhaltsam und humorvoll über Shakespeares Tragödie „Macbeth.“ (Bilder: Kulturschnack)


THORSTEN Ist es eigentlich einfacher, mit einem Stoff zu arbeiten, den alle kennen? Oder macht es das eher kompliziert, weil jede:r seine eigene Vorstellung mitbringt - einschließlich der Schauspieler:innen vielleicht?


ELISABETH Es ist tatsächlich so, dass alle schon Interpretationsansätze mitbringen, denen man dann vielleicht ein bisschen widerspricht in der Konzeption. Am Ende ist es aber so, dass es ein gesamter Abend sein soll, der in sich geschlossen und konsequent ist. Und ich glaube, da geht man dann schon gerne mit, wenn sich Interpretationen ein bisschen verändern. Oder man sieht: „Ah, das wollten die in diesem Abend und das hat funktioniert.“


THORSTEN  Vor drei Jahren kam ja eine Verfilmung von „Macbeth“ ins Kino - mit Stars wie Denzel Washington und Francis McDormand. Wahrscheinlich lässt der sich jetzt irgendwo streamen. Warum soll ich trotzdem ins Staatstheater kommen? Was kann Theater, was Film nicht kann?


ELISABETH (strahlend) Man ist hautnah dran. Es ist alles live. Bei jeder Vorstellung passieren Dinge, die vielleicht nicht ganz so geplant sind, die aber eben dieses Live-Moment ausmachen.


Ein Fernseher steht im Wohnzimmer, aber im Theater befindet man sich gemeinsam mit anderen in einem Raum und ist ganz, ganz nah am Geschehen dran. Das macht es umso spannender, umso rasanter. Und ich glaube, das ist einfach ein tolles Erlebnis.




THORSTEN Da kann Denzel nicht mithalten.


ELISABETH Zumindest nicht auf dieser Ebene. (lacht)


THORSTEN Nun ist Macbeth eine Tragödie. Ist es eigentlich schwerer, so etwas zu vermarkten als eine Komödie? Gerade jetzt in der Winterzeit, wo draußen eh alles dunkel und kalt ist? Oder macht das gar keinen Unterschied?


ELISABETH Ich glaube, schwieriger zu vermarkten ist es nicht. Man muss hier aber dazusagen, dass „Macbeth“ keine klassische Tragödie ist, weil man einer Figur zuguckt, zu der man ein ganz ambivalentes Verhältnis hat. Das meiste, was Macbeth da macht, ist natürlich nicht so toll, aber:


Wir versuchen trotzdem, den Weg zu zeigen, der ihn zu seiner Mordlust und schließlich zu seinem Verfall führt. Das ist besonders an dieser Tragödie, weil es einfach sehr spannend ist. Man könnte sogar sagen, dass es etwas Krimihaftes hat, nur dass man den Mörder vorher schon weiß. Man wird richtiggehend hineingezogen in diese Geschichte.

Bühnenreif: Als Dramaturgin steht Elisabeth selbst zwar nicht auf der Bühne. Unser Eindruck war aber: Das könnte sie auch! (Bild: Kulturschnack)

THORSTEN Aber der Stoff ist ja schon ein bisschen düster und deswegen würde mich mal interessieren, auf einer Skala von 1 bis 10: Wie groß war die Versuchung, auch mal Scherze einzubauen, damit das aufgelockert wird?


ELISABETH Zehn! Und es könnte sein, dass auch ein paar Scherze drin sind.



Alle: ab.


 

Uralt und hochmodern


Ob leidenschaftlicher Theaterfan oder nicht: Den Namen „Macbeth“ kennen fast alle. Seine Geschichte ist vielen aber nur in groben Zügen bekannt. Dabei zeigt die Iszenierung am Oldenburgischen Staatstheater, wie zeitgemäß der vierhundert Jahre alte Stoff von William Shakespeare noch ist - gerade jetzt, in einer Zeit, in der viele alte Gewissheiten nicht mehr zu gelten scheinen.


Es ist gleichermaßen faszinierend und furchterregend, dass man bestimmte Mechanismen aus dem 17. Jahrhundert unverändert im Alltag des 21. Jahrhunderts wieder entdecken kann. Diese Mischung aus ganz ambivalenten Eindrücken zeigt die ganze Wirkungsmacht des Theaters. Beim Schwanken zwischen Abscheu und Verständnis durchleben wir Macbeths Schicksal in uns selbst - und gehen randvoll mit intensiven Eindrücken nach hause. Bühne, Kostüme und Maske sorgen zudem dafür, dass der Besuch aus visuell lange nachhallen wird.


Wie es gelingen kann, bei alledem auch noch Scherze einzubauen? Das erfahrt ihr nur, wenn ihr euch „Macbeth“ anseht. Und genau das ist es, was ihr unbedingt tun solltet - denn mehr kann zeitgemäßes Theater kaum bieten.

Comments


bottom of page