Seit Mitte 2020 schreibt Kulturschnacker Thorsten eine monatliche Kolumne für die wunderbare Theaterzeitung des Oldenburgischen Staatstheaters. Digital findet ihr sie zum Nachblättern unter www.staatstheater.de. Oder: hier.
Ich habe ein Geständnis zu machen: Ich mag den November nicht. Dabei weiß ich, dass auch er schöne Momente hat. Wenn die tieferstehende Sonne ihre Strahlen durch goldgelbe Baumkronen schickt oder wenn Kinder lachend ihre Drachen steigen lassen – ja, dann finde auch ich das ganz wunderbar. Aber meistens ist der November doch ziemlich nass, kalt und ungemütlich. Und wo ich schon dabei bin: Ich bin auch kein allzu großer Fan des Winters. Die drei Schneetage wiegen monatelange Dunkelheit und Frostigkeit nicht auf. Als jemand, der durchaus sein gesamtes Leben in Shorts und T-Shirts verbringen könnte, ist das Winter-Sommer-Verhältnis auf dem 53. Breitengrad absolut fragwürdig. Und nun steht all das wieder vor der Tür. Wie soll ich es nur überstehen?
Jenseits der Matrix
Die Antwort auf diese Frage ist überraschend simpel: Indem ich einfach das mache, was mir guttut. Und da geht mein Blick nicht etwa an die Streaminganbieter, die den heimischen Kokon mit Dauerbespaßung zukleistern. Nein, er geht zu unserer Oldenburger Kultur. Man stelle sich mal die kommenden fünf Monate vor, ohne die Möglichkeit, in Kinos, Theater, Konzertsäle, Ausstellungsräume und andere Veranstaltungshallen zu gehen.
Man wäre allein mit sich in der eigenen Welt, mit dem Smart TV als abendlicher Allein-Unterhalter, der uns mit seinem unendlichen Sortiment an Serien, Staffeln, Episoden überfordert. Das Glasfaserkabel als Lebensader: An was erinnert mich das noch? Ach ja, richtig: Willkommen in der Matrix!
Zum Glück sind wir von einem Leben ohne Kultur aber sehr weit entfernt. Der Sommer ist zwar längst nicht mehr jene Jahreszeit, in der Oldenburg eine große Pause macht. In Herbst und Winter nimmt die Kulturszene aber dennoch Fahrt auf: Die Programme sind prallgefüllt – spannend, unterhaltsam, interessant, relevant! Etwas anderes kommt aber noch hinzu: Menschen brauchen Orte, an denen sie zusammenkommen können. An denen sie Momente, Genüsse, Erlebnisse teilen. Und wenn diese Orte witterungsbedingt nicht die Nischen und Ecken in der Stadt sein können, dann bildet die Kultur einen sehr guten Ersatz. So wie unsere Vorfahren sich einst ums Feuer scharten, können wir dies vor den Bühnen tun. Mit den Mänteln geben wir den Winter an der Garderobe ab und können uns befreit einlassen auf das, was da kommen mag.
Die Wärme kehrt zurück
Als Novembernörgler habe ich mir schon ein paar Highlights rausgesucht, die diesen Monat so angenehm und inspirierend machen, wie er nur sein kann. Leider muss ich dafür auch mal raus aus Oldenburg, zum Beispiel zu DICE nach Utrecht oder zu Hot Water Music nach Hannover. Aber auch hier vor Ort gibt es sehr viel zu erleben. Das Prinzip bleibt sowieso überall dasselbe:
Wenn schon das Leben nicht mehr auf den Straßen und Plätzen sattfindet, dann doch zumindest in den Sälen, Hallen, Kneipen und Clubs. Sie geben uns tatsächlich etwas von der Wärme zurück, die uns an der frischen Luft verloren gegangen ist. Und dieser Effekt ist umso wichtiger, je dunkler es draußen wird.
Dunkel ist es jetzt im November in der Tat. Und nass. Und kalt. Shorts und T-Shirts müssen wieder in den Schrank, es beginnt die Zeit der Pullis und Parkas. Aber: Das ist halb so schlimm. Denn ich weiß, dass ich auch bei fünf Grad und Nieselregen tolle Möglichkeiten habe, die mir all das geben können, was mir draußen fehlen wird. An meinen jahreszeitlichen Befindlichkeiten wird sich zwar nichts ändern. Aber solange die Oldenburger Kultur so hell strahlt, fällt mir das Warten auf den Sommer leicht. Und außerdem hat der November ja auch schöne Momente.
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