Seit Mitte 2020 schreibt Kulturschnacker Thorsten eine monatliche Kolumne für die wunderbare Theaterzeitung des Oldenburgischen Staatstheaters. Digital findet ihr sie zum Nachblättern unter www.staatstheater.de. Oder: hier.
Für Zentraleuropa hob sich der Vorhang am Morgen des 6. November. Viele von uns wachten auf und checkten umgehend den Newsfeed auf ihrem Smartphone oder schalteten das Radio ein. Und nach wenigen Sekunden war es Gewissheit: Der neue, alte Präsident der Vereinigten Staaten würde Donald Trump heißen. Und auch wenn etliche Details zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss waren, stand doch zumindest eines fest: Er würde die Welt ab dem 20. Januar wieder zu einer großen Bühne machen.
Noch am selben Tag - nur etwas später – mühte sich die bundesdeutsche Ampelregierung, das mediale Rampenlicht auf sich zu ziehen, indem sie nicht nur sich selbst für beendet erklärte, sondern eine Zankerei startete, die jedem Kindergarten zur Ehre gereicht hätte. Was damals und im Folgenden zwischen den Herren Scholz, Lindner und Merz ablief, wäre theoretisch gute Unterhaltung gewesen – wäre es nicht um die Zukunft unseres Landes gegangen.
Die Realität als Satire
Auf beiden Seiten des Atlantiks sucht die Politik immer stärker die große Bühne – und verwandelt sie oft in eine Manege. Es ist vor allem die Absurdität, die es schwer macht, all das ernst zu nehmen – obwohl es das leider ist. Schon in Trumps erster Amtszeit fragte man sich in der Kultur dasselbe wie später in vielen glorreichen Ampel-Momenten:
Wie sollen wir reflektieren, was keinen Sinn ergibt? Wie sollen wir persiflieren, was bereits ein Witz ist? War die Realität etwa dabei, das Theater als Schauplatz der Zuspitzungen und Übertreibungen abzulösen?
Was Hoffnung macht: Die Idee der „Weltbühne“ ist gar nicht neu. Siegfried Jacobsohn gab seiner politischen Wochenzeitschrift – die später auch von Ossietzky geleitet wurde – bereits 1918 diesen Namen. Auch damals hatte man bereits den Eindruck, dass es in der Politik – wie am Theater – (Selbst-)Darsteller und Zuflüsterer gibt. Und das Maskulinum ist an dieser Stelle bewusst gewählt. Es sind eben doch immer die Männer, die den Karren am heftigsten in den Dreck schieben.
Geben wir es ruhig zu: Die große Trump-Show bietet ebenso wie die Ampel-Streitereien bisweilen mehr Entertainment als manche Bühne (außerhalb Oldenburgs, versteht sich). Rückt das Theater also in den Hintergrund? Bis zu einem gewissen Grad kann ich diese Sorge verstehen. Jeder Mensch erreicht irgendwann ein Maximum an Theatralik, das erträglich erscheint. Aber dennoch habe ich keine Befürchtungen. Denn aus der ersten Amtszeit Trumps wissen wir, dass die absolute Fassungslosigkeit und die obsessive Dauerbeschäftigung mit dem Präsidentendarsteller recht schnell abflachen. Und nur einen Monat nach seinem Amtsantritt wird eine neue Bundesregierung gewählt.
Gegenwind für Populist:innen
Genau - und gerade - dann brauchen wir die Kultur! Nein, nicht um uns beim Eskapismus zu unterstützen. Sondern um zu zeigen, dass es auf der Weltbühne eben nicht nur die Zampanos gibt, die mit aller Kraft versuchen, Uhren zurückzudrehen – in jene Zeiten, als der alte weiße Mann noch hemmungslos bestimmen durfte, ohne dass ihm das vorgeworfen wurde.
Auf der Bühne begegnen uns immer wieder kluge Positionen zu aktuellen Themen und Fragen. Und oftmals machen sie uns deutlich, dass die Antworten in uns selbst liegen. So etwas wollen wir hören, sehen, fühlen – grundsätzlich immer, aber gerade dann, wenn die Weltbühne wieder einmal gnadenlos übertreibt.
Freuen wir uns darüber, dass ein Donald Trump vielleicht vieles, aber eben nicht alles bestimmen wird. Er mag die Weltbühne dominieren, aber nicht die Bühnen dieser Welt. Von dort kommt für Populisten wie ihn intellektueller, aber auch emotionaler Gegenwind. Und ein Trost bleibt sowieso: In vier Jahren werden wir eines Novembermorgens wieder aufwachen und unsere Smartphones checken oder die Radios anschalten. Und dann wird die Gewissheit sicher eine andere sein.
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