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ZEIT FÜR ZIRKUS

Erinnert ihr euch? Zirkus galt früher mal als etwas, das vor allem was für Kinder war. Das hat sich grundlegend geändert: Mit modernen Konzepten wurde vor allem die Sparte Artistik/Akrobatik neu aufgeladen und ist jetzt als zeitgemäße Unterhaltung mit Anlehnung an Tanz und Theater sehr erfolgreich. Ihr wollt das nachprüfen? Kein Problem: In den kommenden Wochen gastieren gleich mehrere zeitgenössische Zirkusgruppen bzw. -formate in Oldenburg. Zückt eure Kalender, denn hier erfahrt ihr mehr.


Die Kunst der Bewegung: Artistik ist ein Kernelement des zeitgenössischen Zirkus - wie hier bei „Tangram“. (Bild: Ilario Constanzo)

Das letzt Zirkus-Highlight in Oldenburg ist noch gar nicht so lange her. Vom 20. bis 23. Juni gastierte der Cirque on Edge in den Wallanlagen und wagte einen spannenden Brückenschlag über die Haaren hinweg. Mehrere hundert Zuschauer:innen verfolgten die - sowohl artistisch als auch inhaltlich - faszinierenden Auftritte des Ensembles und genossen die besonderen Momente unter freiem Himmel.


Für derlei Open Air Formate ist es mittlerweile viel zu ungemütlich geworden. Bei einstelligen Temperaturen ist das Fläzen auf dem Rasen eben nur halb so schön. Doch es gibt einen dreifachen Trost. Denn der Oldenburger Spätherbst entpuppt sich nicht nur als Vorbote des Winters, sondern auch als inoffizieller Höhepunkt der Zirkussaison. Es ist bemerkenswert, in welcher Quantität und Qualität wir in diesen neblig-kalten Tagen circensische Künste erleben dürfen. Und das ist noch nicht alles: Wir können sogar selbst aktiv werden!



 


16. NOVEMBER, 20 UHR

ZEIT FÜR ZIRKUS: TANGRAM

IGS FLÖTENTEICH


Anziehung und Abstoßung: Bei „Tangram“ sehen wir dieses Wechselspiel wie nie zuvor. (Bild: Andy Philipson)

Den Anfang macht „Zeit für Zirkus“. Bei diesem Konzept handelt es sich um die deutsche Version von La Nuit du Cirque. Dieses Festival für zeitgenössischen Zirkus ist 2019 in Frankreich eingeführt worden und entwickelte sich seither zu einer weltumspannenden Bewegung in über fünfzig Ländern. Das Ziel: Durch möglichst viele Veranstaltungen am Wochenende vom 15. bis 17. November soll dem zeitgenössischen Zirkus (noch) größere Sichtbarkeit verliehen werden. Unter der Regie der Vereins Kultur-Perspektiven ist Oldenburg erstmals dabei.


Bei der ersten Veranstaltung „Tangram" stehen Cristiana Casadio und Stefan Sing auf der Bühne. Und dort bieten sie exakt das, was wird im Teaser beschrieben haben: Sie verschmelzen verschiedene künstlerische Ausdrucksformen zu einem neuen Ergebnis - oder Erlebnis. Die renommierte Tänzerin Cristiana und der Weltklasse-Jongleur Stefan erzeugen mit ihren beiden Disziplinen - und deren Vermischung - ein spannungsreiches und leidenschaftliches Beziehungsspiel, „Tangram ist komplex, sexy und respektlos fantasievoll und verschiebt die Grenzen zwischen Tanz, Neuem Zirkus und physischem Theater“, heißt es im Begleittext. Wer also den ewigen menschlichen Kampf um Anziehung und Abstoßung einmal völlig neu erleben will, liegt mit dieser Fusionskunst genau richtig.



FASZINATION ZIRKUS (KEINE) MAGISCHE(N) MOMENTE

Lange Jahre hat Kulturschnacker Thorsten den Zirkus verschmäht. Die Diskussion über das Tierwohl hatte ihn ebenso abgeschreckt wie das Gefühl, dass der traditionelle Zirkus ein Relikt der Vergangenheit war. Dabei zeigte ausgerechnet eine Enttäuschung in seiner Kindheit, welche Faszination Zirkus ausüben kann.

Faszinierend: Die Zirkuswelt trägt ihren Namen zurecht, denn sie unterscheidet sich deutlich von unserem Alltag. (Bild: Shutterstock)

Ich erinnere mich noch ziemlich genau daran. Es ist etwa vierzig Jahre her und trotzdem ist dieser Tag fest in meinem Kopf verankert. Damals hatte ein Zirkus im Dörfchen gastiert, in dem ich aufgewachsen bin. Mein bester Kumpel und ich hatten unser Tachengeld zusammengekramt und waren leicht aufgeregt und überpünktlich auf dem kleinen Platz erschienen, an dem der - ebenfalls kleine - Zirkus sein Zelt aufgebaut hatte. Zusammen mit einigen anderen Kids (und ohne Eltern!) warteten wir erwartungsvoll, registrierten aber mit verständnisloser Irritationen, dass sich das Zelt nicht recht zu füllen schien. Und einige Minuten vor dem geplanten Beginn war es dann soweit: Ein Zirkusmitarbeiter marschierte durch die Reihen, drücke uns das Eintrittsgeld wieder in die Hand und schüttelte den Kopf: Keine Vorstellung heute, zu wenig Besucher:innen.


Die Enttäuschung war riesengroß, schließlich hat man damals sehr bewusst entschieden, in was man sein schmales Taschengeld investiert. Der Zirkus war es uns wert gewesen! Stattdessen einfach losziehen und die drei Mark heimlich in Chips und Cola zu investieren, hätte über den Verlust nicht hinweggetröstet (aber versucht haben wir es trotzdem). Es war uns damals nicht klar, aber: Selbst der kleinste Zirkus erzeugt noch eine Magie, die durch nichts anderes entstehen kann. Man kann versuchen, es zu ignorieren und gar nicht erst den Fuß in ein Zelt zu setzen - so wie ich selbst es lange getan habe. Doch wenn man erst einmal in der Manege ist, dann gibt es kein Entkommen. Und dieses Prinzip gilt auch für den zeitgenössischen Zirkus, wie er in Oldenburg seit einigen Jahren ein festes Zuhause hat. Wer noch nicht dort war, mag vielleicht denken, das sei nichts für sie oder ihn - so wir beim traditionellen Zirkus auch. Aber wenn man einmal in den mitreißenden Vorstellungen war, dann ändert sich diese Haltung schnell und deutlich. Denn man erlebt auch hier: magische Momente.“



17. NOVEMBER

ZEIT FÜR ZIRKUS: STRANGE COMEDY

IGS FLÖTENTEICH





Man merkt es bereits anhand des Namens; Die zweite Veranstaltung im Rahmen von „Zeit für Zirkus“ geht in eine ganz andere Richtung als die erste. Das kanadisch-amerikanische Duo Strange Comedy mit Shelly Mia Kastner (Ex-Cirque de Soleil) und Jason McPherson vermischen in ihrer Performance Comedy, Slapstick, Magie, Akrobatik und Artistik zu einem wahren Feuerwerk der Zirkuskünste. In hohem Tempo geht es von einem Höhepunkt zum nächsten uhd nicht wenige klagen nach den Shows über einen veritablen Lachmuskelkater. Kein Wunder, dass Shelly und Jason auf den Bühnen der gesamten Welt zuhause sind, von Las Vegas bis - nun ja - zum Forum der IGS Flötenteich.

Wer dabei sein will, wenn physikalische Gesetze auf unterhaltsamste Art außer Kraft gesetzt werden und eine Art reale Muppet Show ihre rasante Fahrt aufnimmt, kommt an Strange Comedy nicht vorbei.




24. NOVEMBER, 11 UHR und 16 UHR

KLUB GIRKO: RESPONSIVE ROUND

THEATER WREDE+ TICKETS


Mittendrin statt nur am Rand: Beim Klub Girko wird das Publikum zum Teil der Aufführung. (Bild: Circusögraphy)

Genau eine Woche nach dem Festival für zeitgenössische Zirkuskunst gibt es eine Zugabe im theater wrede+. Dass man zeitlich etwas nachläuft, ist dabei eher ein Vor- als ein Nachteil. Auf diese Weise ist man zwar nicht Teil von „Zeit für Zirlkus“, bietet aber allen Fans ein separates Angebot, das ganz ausgezeichnet auch für sich selbst steht. Schließlich wird etwas Besonderes geboten.


Der Klub Girko bietet eine innovative Variante des Zirkus, denn er hebt die Grenzen zwischen Künstler:innen und Publikum (zumindest ein Stück weit) auf. Im Mittelpunkt der Aufführung steht der Performer Josef Stiller, der Bambusstäbe auf Zehen oder Fingern, auf Kinn oder Rücken balanciert und immer wieder unvermittelt fallen lässt. Wer die fallenden Stäbe fängt? Entscheidet sich erst im Moment. Auf einfache und intelligente Weise spielt der Darsteller mit den natürlichen Reaktionen jedes einzelnen Zuschauers. Er manipuliert nicht nur die Bambusstöcke, sondern auch den Fokus und die Aufmerksamkeit des Publikums. Der „Hochseilakt am Boden“ ist also etwas Besonderes, denn ihr habt die Chance, nicht nur staunend herumzusitzen. sondern selbst Teil des Stücks werden. Wir prognostizieren: Das wird unvergesslich.


KÜNSTLER:INNEN AUFGEPASST MACHT MIT BEIM KLUB GIRKO-WORKSHOP Der Klub Girko gastiert nicht nur mit seiner „Responsive Round“ in Oldenburg, in Zusammenarbeit mit dem FLAUSEN+-Netzwerk lädt er euch zudem ein, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Zur Anmeldung geht es hier.



Dieses Angebot ist ein FLAUSEN+ NEW PRACTICE DAY. Künstler:innengruppen mit besonderer und unkonventioneller Handschrift und Arbeitsweise demonstrieren ihre Arbeit in einer Aufführung mit anschließendem Workshop.  Künstler:innen aus Oldenburg und Umgebung sind herzlich dazu eingeladen an diesem Wissenstransfer teilzunehmen. Es geht darum kennenzulernen, wie die Gruppe künstlerisches Material generiert, wie sie Impulse in kreative Prozesse leiten und Kreativtechniken und Kolaborationsmethoden umsetzen Ein weiterer Workshop findet statt am Sonntag, den 22. Dezember, mit dem Duo Jost Costa. Wer mehr über das FLAUSEN+-Netzwerk erfahren möchte, liest am besten dieses ausführliche Interview.



4. BIS 7. DEZEMBER

WINTER VARIETÉ

KULTURETAGE

AUSVERKAUFT


An der Grenze zur Unfassbarkeit: Was Artistinnen wie Margo Darbois mit ihren Körpern anstellen, ist für zentraleuropäische Couch Potatoes kaum zu glauben. (Bild: Kulturetage / Kultur-Perspektiven)

Zum dritten Mal findet das Winter Varieté in der Kulturetage statt und zum dritten Mal ist es ein Riesenerfolg. Warum man das schon vor der Veransatltung sagen kann? Weil alle fünf Vorstellung längst ausverkauft sind. Wer spontan Zirkusluft schnuppern möchte, sollte also auf die anderen Events ausweichen.


Ein solcher Run auf Karten ist natürlich kein Zufall. Das Winter Varieté trifft den Nerv des Publikums. Was genau es ausmacht und warum die Menschen es lieben? Das haben wir zur Premiere 2022 ausführlich mit Andreas Bartl vom Verein Kultur-Perspektiven besprochen. Unser Interview zum Thema lest ihr hier.


Achtung. Lifehack: Wer sich besonders grämt, das Winter-Varieté zu verpassen, hat noch eine gewisse Chance, denn: Am Sonntag, den 8. Dezember und am Montag, den 9. Dezember findet die Show auch im Bürgerhaus Schortens statt. Tickets dafür gibt es hier und hier.

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